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An ihre Schwester Ida.
Neuendettelsau, den 25. März 1860

 Herzlich geliebte Ida, habet schönen Dank für Eure viele, erfolgreiche Bemühung. Unsere Freude war groß, als die meisterhaft gepackten Herrlichkeiten ausgepackt wurden. Es ruht ein offenbarer Segen auf unserm Unternehmen. Wir haben jetzt 330 Gewinste beisammen, und weil viele wertvolle Sachen dabei sind, so halten wir es für ganz recht, statt 5000 Lose 6000 zu verbreiten. Wir haben schon mehr als einmal die Erfahrung gemacht, daß hier gewöhnlich die Baukosten im voraus zu gering angeschlagen werden. So geht es gewiß auch mit den 500 fl. für das Leichenhaus, zu welchem bereits der Riß vorliegt...

 Unsere Gebetsvereinigung zur Mittagszeit wird uns immer süßer, so daß wir bitten wollen, daß wir auch für die Zeit nach der Passion so etwas haben möchten.... Neulich hätte ich beinahe meinen Mesnerinnendienst verloren. Andere zuerst, dann ich selber sahen, daß die Arbeit über die Kräfte ging, d. h. daß sie eben nicht ordentlich getan werden konnte. Es hieß, der Betsaal erfordere eine ganz eigene Person, die sonst keinen Beruf hätte. Es schmerzte mich in der Tat, diesen schönsten der Dienste fahren lassen zu müssen. Ich sehne mich nämlich oft sehr nach einem äußerlichen, so recht weiblichen Dienen. Es ist einmal die weibliche Natur für das immerwährende Lehren nicht angetan. ...Nun ist’s aber glücklicherweise so gekommen, daß auf unsere Bitte die Mesnerarbeit statt unter zwei unter vier verteilt wurde. Das ist Dir eine Lust, wenn wir zuweilen alle vier in unserm Gotteshause wirtschaften. Doris ist auch dabei.

 Gestern abend kam Herr Pfarrer in unser Kapitel. Da war er wieder so väterlich gegen uns. Es gab nämlich einiges zu schlichten, und wir, wenigstens etliche von uns, hatten mehrere Tage zuvor seine Strenge zu fühlen. Ich hatte einen schweren Tag, bis ich mich entschlossen, Herrn Pfarrer zu schreiben, und schon nach einer Stunde bekam ich von ihm Antwort; zwar zog sich eine ernste Weise durch den ganzen Brief hin, wie es auch nötig war, dennoch konnte ich ganz fröhlich sein, nachdem ich die ernsten, liebevollen Worte gelesen. – „Ihr solltet ein Bau sein, der nicht alsbald zu stürzen droht, wenn

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Therese Stählin: Meine Seele erhebet den Herrn. Verlag der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1957, Seite 107. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Therese_St%C3%A4hlin_-_Meine_Seele_erhebet_den_Herrn.pdf/109&oldid=- (Version vom 10.11.2016)