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Stunde, wird das Kapitel zusammengerufen – der Herr Rektor befiehlt, daß die Stunden ausfallen – und nun wird die Idee kund gegeben: wir werden zuerst vorbereitet durch eine Bußpredigt, die uns gehalten wird, daß wir uns bis jetzt noch keine Substitutinnen herangezogen haben, eine jede für ihren Posten. (NB. wir hatten ja keine Seele!) Was bis jetzt nicht geschehen, soll nun geschehen. Eine jede soll sich für ihre „Branche“ eine zweite erziehen und die wohlgeschulten Diakonissen des Mutterhauses sollen dann zeitweise hinausgehen. Es fehlt nämlich nicht sowohl an Menschen überhaupt, als an solchen, die zuverlässig sind. Die Idee wurde wunderschön vorgestellt, wie ich’s da in der Eile nicht kann, von uns natürlich angenommen, wenn auch mit einigen Remonstrationen, und Schwester Elise, unsere liebste Schwester, alsbald als das erste Opfer erlesen, das ausgehen und einrichten soll. Vielleicht muß Doris bald denselben Weg betreten. An mich brauchst Du hier nicht zu denken. Ich werde wohl meine einseitige Bahn bis an mein Lebensende zu gehen haben. Das müßte schön gehen, wenn ich was einrichten sollte. Du wirst sagen, man dürfte nur nicht so viel anfangen, dann hätte man Leute genug. Ja, was aber angefangen ist! Und noch dazu: Herr Pfarrer erkennt es für seine heilige Aufgabe, unser eigenes Vaterland zunächst zu versorgen, und hat zu dem Zweck die ausländischen Stationen auflösen wollen. Aber es ging halt nicht. Seinen definitiven Kündigungen setzte man solche Remonstrationen entgegen, daß er zurückziehen mußte, wenn er nicht eigensinnig sein wollte. Laß Dir zum Spaß einen Brief schicken, den ich neulich von einer ganz fremden Pastorin erhielt. Man wollte in der großen Not die Diakonissin wegnehmen, weil sie in Hannover ein eigenes Diakonissenhaus haben. Sie behielten richtig den Sieg. Dazu tun sich jetzt in der Slovakei weite Pforten auf für ein Diakonissenarbeitsfeld, wenn nur erst Leute dazu da wären. Ganz ungesucht hat sich ein Band zwischen Dettelsau und der Slovakei geknüpft...

 Dieses Semester auf einmal regnet’s Diakonissenschülerinnen. Das sind nun aber lauter Neulinge. ...Marie geht’s gut. Sie hat nur immer Angst, sie möchte ausgeschickt werden.

Deine Theresia.


Empfohlene Zitierweise:
Therese Stählin: Meine Seele erhebet den Herrn. Verlag der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1957, Seite 139. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Therese_St%C3%A4hlin_-_Meine_Seele_erhebet_den_Herrn.pdf/141&oldid=- (Version vom 10.11.2016)