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getragen wird und einem die Tonkunst es vor die Seele malt, wie die Toten auferstehen etc.... Ich kann mich darüber schlecht ausdrücken, weil ich nichts von Musik verstehe... Nochmals lebe wohl!

Deine dankbare Tochter Theresia.


An die Mutter.
Neuendettelsau, den 4. März 1868

 Meine liebste Mutter, ...ich habe Dir, liebste Mutter, etwas Wichtiges aus meinem kleinen Leben mitzuteilen. Denke Dir nur, nächste Woche gebe ich mein Schulmeistern auf und werde Krankendiakonissin. Herr Pfarrer, der immer so sehr gütig besorgt um mich ist, sagt, er sei jetzt reicher an Lehrkräften als je (Schwester Auguste Bandel und Adelheid Liesching sind sehr gute Lehrerinnen), und man könne mich also jetzt an der Schule entbehren. Er meinte meine Nerven berücksichtigen zu müssen, die übrigens jetzt gerade nicht besonders angegriffen sind. Es geht mir leiblich ganz gut. Ich bekomme nun die Aufsicht über das ganze Krankenwesen des Hauses, insonderheit über unsern schönen Siechensaal, behalte dabei die Führung der Diakonissenschülerinnen (nicht den Unterricht, sondern nur die Seelsorge und praktische Anleitung) und meinen Mesnerberuf. Wenn ich mir’s so überlege, kommt’s mir wunderschön vor. Doch habe ich, seit ich’s weiß, innerlich viel Bangen und Sorgen durchgemacht. Bis jetzt versteh ich auch von der Krankenpflege noch gar nichts. Aber von alle dem, was ich über die Änderung in den letzten Wochen gehört und geredet, war mir ein Wort unsres teuern Herrn Pfarrers das liebste, das ich mit großer Innigkeit ergriff und festhalte. Er sagte: „So hat Dich jetzt Dein Gott geführt.“ Ein Abschnitt in meinem Leben ist es. Und ich bitte Dich sehr, liebste Mutter, vergiß mich in Deiner Fürbitte nicht! Nächsten Montag prüf ich zum letztenmal – nein, nicht Montag – Dienstag. (Da gedenke mein.) Dann ist’s aus. Es ist schon seit lange ein Wunsch von mir gewesen, einmal auch den Kranken dienen zu dürfen. Freilich an das hiesige Krankenwesen dachte ich dabei nicht. Nun hat sich alles so gefügt. In Ferien kann ich diesmal nicht. Aber nicht wahr, Du kommst – wenn die Hyazinthen blühen, wenn die Frühlingssonne warm scheint, – dann gehe ich mit Dir in unsern

Empfohlene Zitierweise:
Therese Stählin: Meine Seele erhebet den Herrn. Verlag der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1957, Seite 169. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Therese_St%C3%A4hlin_-_Meine_Seele_erhebet_den_Herrn.pdf/171&oldid=- (Version vom 10.11.2016)