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An die Mutter.
Neuendettelsau, den 15. Juli 1875

 Meine liebste Mutter, ...unsere Gemüter sind gegenwärtig sehr erfüllt von den Verhandlungen des Magistrats in Nürnberg mit uns wegen der Übernahme des großen Nürnberger Spitals. Vorigen Montag war wieder ein Magistrat hier, der über alles eingehend sprach. Man hatte im Anfang Bedenken, weil doch eine feindliche Partei da ist, die die Sache erschweren könnte, und von unserer Seite könnten so viele Schwestern (vorläufig 17, später 20) doch nur mit den größten Opfern geliefert werden. Nun aber, da der Magistrat die Bedenken niederlegte und den großen Mißstand schilderte mit den bezahlten Wärterinnen, die eine ganz greuliche Wirtschaft führen, glaubten unsere Vorstände in Gottes Namen Zusage geben zu sollen, und so wird denn diesen Herbst noch wenigstens ein Teil des Hospitals übernommen.

 Vorige Woche ist unser Kirchhof erweitert, das heißt das neue Stück Land, das hinzugefügt werden mußte, geweiht worden. Es war ein besonder schöner Abend, der Himmel war bedeckt mit lichten Wolken, man sang und redete von Auferstehung, und nun ist unser einstiger Ruheplatz auch schön hergerichtet, mit Bänken versehen und mit einem Brunnen, daß die Gräber immer ordentlich in Stand erhalten werden können; nur die schattigen Bäume fehlen noch.

 Dieses Jahr ist wieder ein Kaiserswerther Tag. Frau Oberin wird mit Herrn Rektor hin reisen. Ich denke noch mit viel Freude der schönen Reise vor 10 Jahren...

 Ich möchte Dir noch viel erzählen, meine liebste Mutter, weil ich weiß, daß Dein Mutterherz sich für alles interessiert, was mein armes, kleines Leben bewegt. Doch ist meine Zeit schon wieder zu Ende.

 Mit herzlichen Grüßen

Deine dankbare Therese.

 Nächstens gibt’s hier auch eine Telegraphenstation.


An die Mutter.
Polsingen, den 13. September 1875

 Meine liebste Mutter, nun schreibe ich Dir von Polsingen aus, wo ich seit Freitagabend mich befinde und von treuer Schwesternliebe aufs sorgfältigste gepflegt werde. Es ist so

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Therese Stählin: Meine Seele erhebet den Herrn. Verlag der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1957, Seite 223. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Therese_St%C3%A4hlin_-_Meine_Seele_erhebet_den_Herrn.pdf/225&oldid=- (Version vom 20.11.2016)