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überschauen können! Da wird’s erst zu rühmen und zu danken geben! Da reichen solche ungeübte Zungen, wie wir sie jetzt haben, nicht hin! Was wird das für ein Jubel, für eine Wonne sein!

 Liebste Mutter, ich bitte herzlich, daß Sie allezeit Ihre Hände aufheben und, wie für alle Ihre Kinder, auch ohne Unterlaß beten für Ihre

dankbare Therese.


An ihre Schwester Ida.
Neuendettelsau, den 17. Februar 1857

 Meine herzlich geliebte Ida, der treue Heiland schenke Dir viel Freude und Frieden! Das, geliebte Schwester, ist mein Glückwunsch zu Deinem Geburtstag. Große Freudigkeit im heiligen Geist und steten Frieden in den Wunden des Herrn Jesu, das verleihe Dir Gott in Gnaden. Es ist ein Geburtstag im Grund ein rechter Freudentag. Wieder ein Schritt ist getan, wiederum ist man dem ewigen Ziel um ein Stück näher gekommen. Gottlob, daß unsere Pilgerfahrt nicht lange dauert, der Zug durch die Wüste ein kurzer ist und daß wir ewig daheim sein dürfen im Vaterhaus. Ich sehne mich darnach von Grund meines Herzens und Du gewiß auch, geliebte Schwester. Der barmherzige Heiland führe Dich und mich an Seiner durchbohrten Hand bis ans Ziel. Ich habe erst heute wieder recht ernstlich um das „Ausharren bis ans Ende“ gebetet. Durch Gottes große Gnade habe ich den rechten Weg erkannt und betreten; aber ob ich treu bleiben werde bis ans Ende? Jetzt scheint mir freilich das Gegenteil unmöglich, aber ich muß in mich ja das größte Mißtrauen setzen. Bete für mich, daß ich nie „entfalle von des rechten Glaubens Trost“, sondern immer vorwärts gehe, immer mehr mich ganz und gar vernichten lasse von dem heiligen Geist, damit ich nichts ergreife als allein das Verdienst Jesu Christi. Aber mir ist das so ein großer Jammer, daß ich alles, was ich höre, Predigten, sonstigen Unterricht etc. viel mehr mit dem Kopf als mit dem Herzen fasse. Wenn mir manchmal dann die Gnade geschenkt ist, daß mir etwas nicht nur in den Verstand, sondern tief in Herz und Gemüt dringt, dann merke ich den großen Segen, den das bringt. Und so könnte es doch immer sein.

Empfohlene Zitierweise:
Therese Stählin: Meine Seele erhebet den Herrn. Verlag der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1957, Seite 58. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Therese_St%C3%A4hlin_-_Meine_Seele_erhebet_den_Herrn.pdf/60&oldid=- (Version vom 24.10.2016)