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zu vergleichen wäre, der in seinem Kloster wohl alles in bester Ordnung fand, sich selbst aber als eine völlig überflüssige Person erkannte. Was sagst Du zu einem solchen Wunsche? „Jetzt muß sich zeigen, was die „Kinder“ gelernt haben“, sagte er unter anderm auch. Doch wir wollten nicht mit seinem letzten Besuch bei uns sein Angesicht zum letztenmal gesehen haben, sondern nach Tisch läuft, was laufen kann, aus dem Diakonissenhaus dem Walde zu. Dort harrt am Abhange eines Hügels der ganze Haufe, bis der Wagen kommt. Nach langem Warten rufen einige scharfblickende Wächterinnen: „Er kommt! Er kommt!“ Und nun stellt sich Mann für Mann, quasi Mädchen für Mädchen am Rande des Waldes auf, und an dieser langen Kette muß er vorbei! „Das beste wäre, wir gingen alle nach Karlsbad; wollen Sie auch mitgehen?“ sagt er noch einmal zu uns. Mit Herz und Mund stimmt alles ein und läuft, als wollte man wirklich der Aufforderung Folge leisten, noch ein Stück dem Wagen nach, der in einiger Entfernung noch eine, wenn auch bedeutend kürzere Kette zu passieren hatte, gebildet von den „Söhnen“ des scheidenden Vaters, den hiesigen Missionsschülern. Wir kehrten endlich in das uns vereinsamt scheinende Dörfchen und verwaiste Diakonissenhaus zurück. ...Drei Briefe sind bereits eingelaufen, von welchen der letzte von allgemeinem Interesse war und uns deshalb, obwohl an seinen Sohn Ferdinand gerichtet, mitgeteilt wurde. Der dortige Arzt sagte, es sei kein Organ verletzt, und verheißt glücklichen, baldigen Erfolg. „So sagt der Arzt; was der Herr sagt, muß sich zeigen“, heißt es im Brief. Alle Morgen um 1/26 Uhr wandelt Herr Pfarrer mit den übrigen Badegästen zum Brunnen; er darf noch nicht zum stärksten, sondern zu einem der schwächsten, und trinkt sieben Becher von dem warmen Wasser, das aus der Erde quillt und an Geruch und Geschmack der Fleischbrühe gleichen soll. Seine Gesellschaft ist außer Herrn Merz aus Greiz (dem Vater unserer immer kränkelnden Schwester Emma Merz), ein Superintendent, ich weiß nicht mehr woher, „der Herrn Pfarrer in die Tasche stecken könnte“, wenn er vor ihm steht, ein Schwede, der Bücher von ihm übersetzt hat, und andere, die ich nicht mehr weiß. Drei Gottesdiensten wohnte er an dem einen Sonntag, den er dort verlebt, vor Absendung seines

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Therese Stählin: Meine Seele erhebet den Herrn. Verlag der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1957, Seite 85. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Therese_St%C3%A4hlin_-_Meine_Seele_erhebet_den_Herrn.pdf/87&oldid=- (Version vom 10.11.2016)