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wissen, wenn’s dem Herrn gefällt, uns den teuren Hirten wieder auf eine kleine Weile teilweise zu entziehen; wir sind eben in letzter Zeit wieder ein wenig verwöhnt worden. Alle Sonntage hat er gepredigt, alle Wochengottesdienste hat er gehalten (den ganzen ersten Thessalonicherbrief durften wir auslegen hören; das kann ich nicht beschreiben, was das für Stunden waren; wir konnten dabei auch unsere griechischen Testamente benutzen) und noch obendrein die täglichen Unterrichtsstunden im Haus, von denen Dir schon mein letzter Brief berichtete. Du mußt das Diktat einmal lesen. Das ganze Haus von Frau Oberin an bis zu unserm kleinen Sophiechen von Vitzthum schreibt „Von der Barmherzigkeit“. Herr Pfarrer gebot, alle Hefte ihm täglich auf seinen Tisch zu legen.

 Nun höre noch, wie mir Herr Pfarrer neulich zu meinem Geburtstag gratulierte. Es hatten an jenem Mittwoch schon die Ferien begonnen, und ich sah daher Herrn Pfarrer den ganzen Tag nicht; da kam er am andern Tag zu mir und sagte: „Das ist eine schöne Geschichte: gestern war dein Geburtstag, und ich habe gar nichts davon gewußt, erst am Abend hat man mir’s gesagt, und ich hätte dir doch gewiß alles Glück gewünscht. Ich bin nun endlich mit dem Kalender fertig geworden (Rosenmonate heiliger Frauen), und da sollst du den ersten davon haben zur Erinnerung an deinen diesmaligen Geburtstag. Da sucht dir deine heiligen Frauen heraus.“

 Daß Leonhard bei Euch ist, freut mich. Sag ihm doch einmal gelegentlich, daß in Neuendettelsau bei Kloster Heilsbronn, sechs Stunden von Nürnberg, nicht so sehr weit von Erlangen, eine Blutsverwandte von ihm existiere mit Namen Theresia; vielleicht erinnert er sich.

Deine treue Theresia.


An die Mutter.
Neuendettelsau, den 8. Januar 1859

 Liebste Mutter, ...Marie hat mir schon alles weggenommen, so daß ich von äußerer Festfeier wenig mehr schreiben könnte, selbst wenn ich wollte. Um so mehr bin ich veranlaßt, anderes zu berichten, und so will ich denn ein wenig von den Reden Herrn Pfarrers erzählen: Am heiligen Abend wurde der Gottesdienst in der gewöhnlichen Weise gehalten. Nach

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Therese Stählin: Meine Seele erhebet den Herrn. Verlag der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1957, Seite 92. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Therese_St%C3%A4hlin_-_Meine_Seele_erhebet_den_Herrn.pdf/94&oldid=- (Version vom 10.11.2016)