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Ludwig Tieck: Das jüngste Gericht. In: Poetisches Journal, S. 221–246

geschworen habe. So sehr ein Greifen und Haschen nach Seelen war, so wollte doch kein Mensch die seinige zu sich nehmen, so daß diese arme Seele, von ihrem Körper verschmäht und von den übrigen verachtet, ganz roth vor Schaam, immer um den eigensinnigen Körper herum flatterte und ihm die besten Worte gab, daß er sie doch nur in sich stecken möchte: er aber grub sich eigensinnigerweise immer tiefer in die Steine hinein und behauptete dreist, seine Bildung lasse es durchaus nicht zu, auf eine so erbärmliche Art wieder aufzuleben.

Da es immer wimmelnder wurde und immer voller, weil unaufhörlich neue Gestalten aus der Erde nachwuchsen, so fing der Platz bald zu gebrechen an und einige Statistiker freuten sich laut über die große Population im Himmel, indem sie die Ursachen der Bevölkerung bald dem Clima, bald der Staatsverfassung zuschrieben, die sie sich zu studiren vornahmen, um hinter das Geheimniß zu kommen. Einige, die Könige gewesen waren, gingen unter den Leibern mit Entzücken hin und her, um ein Canton anzulegen, wobei sie den Vortheil hatten, daß jeder gestorbene Soldat von neuem aufleben und zum Dienste wieder tüchtig seyn könne. Es thut nichts, sagte ein General, wenn auch

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Ludwig Tieck: Das jüngste Gericht. In: Poetisches Journal, S. 221–246. Frommann, Jena 1800, Seite 232. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Tieck_Das_juengste_Gericht_1800.pdf/12&oldid=- (Version vom 22.12.2016)