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Walther Kabel: Tollwutepidemien (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 6)

Tollwutepidemien, die insofern bemerkenswert sind, als sich bei ihnen die Krankheit fast ausschließlich auf eine bestimmte Tiergattung beschränkte. In den Monaten September bis Dezember 1852 mußten in Madrid sämtliche Katzen getötet werden, da eine erst recht spät als Tollwut erkannte Krankheit sich immer mehr unter ihnen ausbreitete und dadurch die Gesundheit der Bewohner der spanischen Hauptstadt schwer gefährdete. Zu Anfang des Jahres 1853 hatte man in ganz Madrid vergebens eine Katze gesucht. Auch heute noch darf nach einem damals erlassenen Gesetz nur in je einem Hause einer Straße eine Katze gehalten werden. Madrid dürfte daher so ziemlich die katzenärmste europäische Stadt sein.

Im Winter 1872 brach unter den Wölfen im Gouvernement Saratow in Südrußland eine Tollwutepidemie aus. Ganze Ortschaften, besonders das Städtchen Kljudschi, wurden infolgedessen wochenlang von jedem Verkehr abgesperrt. Da man der Bestien anders nicht Herr werden konnte, wurden mit Hilfe zahlreicher Kosakenabteilungen überall Treibjagden abgehalten, so daß das Gouvernement auf Jahre hinaus von Wolfen gesäubert war. Trotzdem tauchten noch im Jahre 1875 in der Nähe der Gouvernementshauptstadt Saratow fünf wutkranke Wölfe auf, die zahlreichen Spaziergängern verderblich wurden und eine wahre Panik unter der Einwohnerschaft hervorriefen.

Bedeutend ärger jedoch als in Europa hat der Orient unter Tollwuterkrankungen, besonders der von Hunden, zu leiden, was hauptsächlich auf die mangelnden gesetzlichen Schutzvorschriften und die Gleichgültigkeit der dortigen Bevölkerung zurückzuführen ist. Nach einer ganz oberflächlichen Statistik des von der türkischen Regierung 1903 nach Konstantinopel berufenen Tierarztes Doktor Vollert sterben in Kleinasien allein jährlich sechs- bis siebenhundert Menschen an den Folgen der Bisse tollwütiger Hunde. Die Berufung des genannten Tierarztes hat ebenfalls eine recht traurige, für den Schlendrian in der türkischen Verwaltung aber recht bezeichnende Vorgeschichte. 1889 nämlich hatte die Tollwut unter

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Walther Kabel: Tollwutepidemien (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 6). Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1914, Seite 232. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Tollwutepidemien.pdf/4&oldid=- (Version vom 1.8.2018)