Seite:Topographia Alsatiae (Merian) 087.jpg

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herrliche Orgel zu sehen; der hohe Thurn aber daran / kurtz vor dem jetzigen Krieg / eingefallen ist. Sie ligt beym Eingang deß Schlosses / und hat drey Gewölber; und wird darinn Teutsch geprediget / auch der Pfarrer allda / so seinen Diaconum hat / ein Superintendent genandt, der die Auffsicht über alle andere Kirchen dieser Graffschafft / und zugehörigen Herrschafften / hat. Zum andern / S. Martins Kirch / mitten in der alten Stadt / auch ein alte Kirch; aber welche / weil sie zu klein war / Hertzog Friderich von Würtenberg / abbrechen / und ein schöne / grosse / gantz lüfftig / und helle / von lauter gehauenen Quadersteinen / mit ihren Columnen / Gesimbsen / und anderer Gezierde / Anno 1604. hat auffführen lassen / nach dem der erste Stein darzu den 5. Martii Anno 1601. gelegt worden ist. Und in solcher wird Frantzösisch von drey Kirchen-Dienern geprediget. Neben diesen zweyen herrlichen Kirchen / hat es auch eine Capellen auff dem Gottes-Acker / in welcher man die Leich-Predigten hält: Item / ein altes reiches Spital; und das Paedagogium, da / neben der Lateinischen Praeceptorum Bürß / drey Auditoria seyn / darinnen gute Künste / und Sprachen / sampt der Philosophia, gelehret werden. Die Teutsche und Frantzösische Schulen / so absonderlich / nicht darzu gerechnet. Und wird in Kirchen und Schulen allein die ungeänderte Augspurgische Confession, Anno 1538. allhie eingeführet / getrieben. Es hat hochgedachter Hertzog Friderich / auch in der obgedachten von ihme angefangenen neuen Stadt / damit derselben Erbauung desto mehrers befördert werden möchte / an dem Fuß deß Bergs / den 2. Junii Anno 1598. den ersten Stein zu einem Collegio gelegt / welches zwar ein gar schöner künstlich-viereckichter Bau: aber / weiln er zu frü gestorben / so ist die Academi, so daselbsten hat eingeführet werden sollen / verblieben. Von Weltlichen Gebäuen ist sonderlich das schöne / wolerbaute / und veste Fürstliche Schloß zu sehen / welches gegen Auffgang der Sonnen / der Stadt Ringmauren / beschleust / und auff einem zimlich hohen / und über die maß harten Felsen / allerdings von andern Gebäuen ledig / erhoben stehet. Ist ins alt / und neue Schloß abgetheilet. Das Neue / oder Eussere / so groß / und schön / ist zur Fürstlichen Residentz / und Wohnung / geordnet / auch deßwegen mit schönen Zimmern / und Gemachen / gezieret; hat seine starcke Thürne / und mit einem sehr tieffen Graben in Felsen gehauen vom Alten abgesöndert. Hat einen weiten Vorhoff / darinn obbesagte Teutsche Kirchen: Item / deß Gubernatoris, oder Baillivi dieser Graffschafft / Wohnung / in einem prächtigen Pallast; das Fürstliche Zeug-Hauß / mit sehr grossen Stücken / allerhand Kriegs-Notthurfft / Wehren / und Waffen / auff das beste versehen; die alte Cantzley / und Fürstlich Archivum; Item / der Marstall / Keller / Binderhütten / etc. stehen. Der Platz ist sehr weit / damit man das Geschütz darauff stellen / und die Pferde tummeln / und Ritterspiel da anstellen kan. Es ligt daran ein sehr lustiger Garten. Und wir mit Lust der Brunnen gesehen / so zu unterst / auß dem Thier-Garten / biß zu oberst ins Schloß hinauff gerichtet ist. Im alten / oder innern Schloß wohnen die Handwercks-Leuth / Gutscher / und dergleichen / die man zu Hoff brauchet. Beyde alt / und neue Schloß / seyn mit Thürnen / Streichwehren / Fallbrücken / und dergleichen / auch mit guten Röhr- und Schöpff-Brunnen / nach Notturfft / und mit einer grossen Schlag-Uhr / versehen. Gegen beyden Schlössern über / ist oberwehnte Crosta, oder la Croste, wie sie es nennen / oder der neuen Stadt Castell / von dessen sehr hohen Thurn alle Ankommende leichtlich man sehen / und mit dem Glockenschlag / bißweilen auch mit Ablassung eines Stücks / dieselbe anzeigen kan. Zwischen den Wällen dieses Castells / ist neulich / zwar mit grosser Mühe / und Unkosten / ein Brunne zweyhundert Schuh tieff / gegraben worden. Bey diesem Castell ligt obangedeutes Collegium. In der alten Stadt ist deß Fürsten Pallast zu sehen / von Graff Georgen von Würtenberg gantz prächtig auff dem sehr schönen Platz / oder Marckt / erbauet / und in underschiedliche Zimmer eingetheilet. Oben auff seyn grosse / und weite Kornschütte / und Böden. Unden herümb haben die Kauff-Leuthe zu allerhand Sachen / und die Bauers-Leut zu Verkauffung der Früchten / ihre stattliche Gelegenheiten. Das Stadt- oder Bürger-Hauß / so man sonsten das Raht-Hauß anderstwo zunennen pfleget / stehet nahend obgedachter S. Martins-Kirchen. Ist auch ein feiner Bau / daran ein gar lustiger und grosser Garten. Und hat man allhie vor dem nächsten Sterben / und Krieg / die Hochzeitliche Solennitaeten pflegen anzustellen: Ist auch darinn der Stadt Zeug-Hauß / und Rüst-Kammern. Gegen besagtem Marckt über / stehet ein Thurn / darauff der Stadt Schlag-Uhr. Es hat in der alten Stadt eine Mühl / und ausser derselben / neben dem neuen Thor / auch eine. Und war Vor-Zeiten auch eine Papier-Mühle nahend der Stadt / so hernach an die Dub versetzt / und neulich von den Strassen-Räubern verbrandt worden. Es hat auch allhie ein Pulver-Mühlen / da man viel und gutes Schieß-Pulver machet. Die Metzig ist so wol des Gebäues / als auch der Sauberkeit halber zubesichtigen. In der neuen Stadt hat es ein schön Ballen-Hauß / damit man den Leib darinn üben / und das Gemüth auch sein Erquickung haben möge; darauff vornehme Städt insonderheit zu sehen pflegen / damit in Mangelung dessen / und anderer löblichen Exercitien, die Leut nicht dem Spielen / Sauffen / und den Huren-Winckeln nachzugehen Ursach haben; weilen doch müssige Leuthe etwas zuthun haben wollen. Die Privat-Häuser zu Mümpelgart seyn auch nicht zuverachten / deren die meisten steinern / von drey Gaden hoch / und mit Ziegeln bedeckt seyn. Die neue Stadt ist[1] noch nicht gar außgebauet daher daselbst / an statt der Häuser / lüstige Gärten / und etliche Weinberge / zusehen. Ausser der Stadt gibt es sehr schöne Wiesen / und Spatziergäng auch wolgepflantzte Gärten / Berglein / Brünne / Weinwachs / Felder / Wäldlein / Hügel / und dergleichen /

  1. WS: doppeltes ist entfernt
Empfohlene Zitierweise:
Matthäus Merian: Topographia Alsatiae. Frankfurter Kunstverein, Frankfurt am Mayn 1647, Seite 36. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Topographia_Alsatiae_(Merian)_087.jpg&oldid=- (Version vom 7.9.2022)