Seite:Tractat von dem Kauen und Schmatzen der Todten in Gräbern 059.jpg

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zu haben glaubet und den wir als irrig hier verwerffen. Er bestehet darinne, daß man vorgiebt, die Todten frässen in diesem Fall ihre Kleider. Aber wem ist nicht das Sprichwort bekannt, dessen sich schon vorlängst Theodotus bey dem Plutarcho bedient: νεκρός οὐ δάκνει: ein Todter beist nicht mehr:[1] Denn nach Auflösung des natürlichen Bandes zwischen Leib und Seel, hören auch alle Verrichtungen auff, die aus dieser Vereinigung herkommen.[2] Wir reden aber ietzt von denen wahrhafftig Todten, nicht aber von denen Epilepticis, Syncopticis, Hystericis oder Ecstaticis, die alle bißweilen auch den Schein haben, als wären sie todt, und doch zu solcher Zeit solche Dinge thun können, die denen Lebenden eigen sind. Von solchen ist hier die Rede nicht. Die Exempel zwar, welche wir oben von denen schmatzenden Todten angeführt, stimmen gröstentheils darinne überein, daß die Todten ihre Sterbe-Kleider, so weit sie solche mit dem Munde haben erreichen können, gefressen und verschlungen hätten. Alleine das gantz sonderbahre Exempel aus Hungarn, welches wir hier vernehmlich zu untersuchen vor uns haben, giebt uns von diesem Umstande keine Nachricht. Der ausgegrabene Plogojowitz hat seine Sterbe-Kleider noch alle gantz gehabt. Das eintzige, was da


  1. PLVTARCH, in Vita Pompeji p. 432.
  2. Cessante causa cessat effectus.