Seite:Tractat von dem Kauen und Schmatzen der Todten in Gräbern 094.jpg

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§. 2.

Die Vegetantz der schmatzenden Cörper (Vegetantiam cadaveris masticantis) zu erweisen, ist vor allen Dingen nöthig, diese Frage zu erörtern: ob auch die Cörper bißweilen nach dem Tode noch unverweset bleiben können? Wenn es erlaubt ist, uns auff das allerheiligste Exempel unsers Heylandes zu beruffen, so müssen wir allerdings mit Ja antworten. Denn daß dessen Leib nach dem Tode nicht das geringste von einer Verwesung empfunden, bezeuget die heil. Schrifft deutlich. Ob aber von diesem besondern Exempel ein Schluß auff andere menschliche Cörper zu machen sey, können wir nicht sicher behaupten. Aber so viel folgt wenigstens daraus, daß die Abscheidung und Trennung der Seelen von dem Leibe eigentlich zwar den Tod des Menschen ausmache, welcher Tod aber von dem Tode des Leibes selbsten sehr weit unterschieden sey.[1] Es scheinet diese Meinung zwar vielen sehr ungereimt zu seyn, iedoch ist sie in der Wahrheit gegründet. Der Mensch besteht, wie bekannt, aus zwey wesentlichen Theilen, Leib und Seele. Wenn ein Theil abgeht, so hört der Mensch zwar auff ein Mensch zu seyn, aber die Seele bleibt doch Seele und der Leib Leib. Wenn nun die Seele von dem Leibe scheidet, so sagt man allerdings, der


  1. At hoc tamen inde sequitur, quod animæ separation & recessio a corpore, proprie quidem constituat mortem hominis, quæ tamen a morte ipsius corporis adhuc multum sit distinguenda.