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     Maria sah ich dort! Mein Herz durchzuckte
Ein rascher Blitz, bei ihrem ersten Anblick.
Es waren ja des Nebelweibes Züge,

345
Die schönen, stillen, liebefrommen Züge,

Die mich so oft im Traume angelächelt!
Nur war Mariens Wange nicht so bleich,
Nur war Mariens Auge nicht so starr.
Die Wange blühte und das Auge blitzte;

350
Der Himmel hatte allen Liebeszauber

Auf dieses holde Bild herabgegossen;
Die Hochgebenedeite hatte selbst
Mit Heil’genschein umschmückt die Namensschwester;
Und von der Liebe Sehnsuchtweh ergriffen,

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Streckt’ ich die Arme aus sie zu umfangen –


     (Pause.)

Ich weiß nicht wie es kam, im nahen Spiegel
Sah ich mich selbst – Ich war der Nebelmann,
Der nach dem Nebelweib die Arme ausgestreckt!
     War’s eitel Traum? War’s Phantasieentrug[1]?

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Maria sah mich an so mild, so freundlich,

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Phantasientrug (s. Verbesserungen)
Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Heine: Tragödien nebst einem lyrischen Intermezzo. Dümmler, Berlin 1823, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Tragoedien_nebst_einem_lyrischen_Intermezzo_030.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)