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     LXI.

     Der Traumgott bracht’ mich in ein Riesenschloß,
Wo schwüler Zauberduft und Lichterschimmer,
Und bunte Menschenwoge sich ergoß
Durch labyrinthisch vielverschlungne Zimmer.
Die Ausgangspforte sucht der bleiche Troß,
Mit Händeringen und mit Angstgewimmer.
Jungfrau’n und Ritter ragen aus der Menge,
Ich selbst bin fortgezogen im Gedränge.

     Doch plötzlich steh’ ich ganz allein, und seh’,
Und staun’, wie schnell die Menge konnt’ verschwinden,
Und wandre fort allein, und eil’, und geh’
Durch die Gemächer, die sich seltsam winden.
Mein Fuß wird Bley, im Herzen Angst und Weh,
Verzweifl’ ich fast den Ausgang je zu finden.
Da komm’ ich endlich an das letzte Thor;
Ich will hinaus – O Gott, wer steht davor!

Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Heine: Tragödien nebst einem lyrischen Intermezzo. Dümmler, Berlin 1823, Seite 121. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Tragoedien_nebst_einem_lyrischen_Intermezzo_121.jpg&oldid=- (Version vom 27.10.2016)