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Flieh’ jenes Haus, wo neuer Glaube keimt.
Dort zieht man dir, mit süßen Zangentönen,
Aus tiefer Brust hervor das alte Herz,

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Und legt dir eine Schlang’ dafür hinein.

Dort gießt man dir Bleytropfen, hell und heiß,
Auf’s arme Haupt, daß nimmermehr dein Hirn
Gesunden kann vom wilden Wahnsinnschmerz.
Dorten vertauscht man dir den alten Namen,

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Und giebt dir einen neu’n; damit dein Engel,

Wenn er dich warnend ruft beim alten Namen,
Vergeblich rufe. O, bethörtes Kind,
Geh’ nicht nach Alys Schloß; – du bist verloren,
Wenn man in dir Almansorn wiedersieht!

Almansor.

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Besorge nichts; denn niemand kennt mich mehr.

Mein Antlitz trägt des Grames tiefe Furchen,
Getrübt von salz’gen Thränen ist mein Aug’,
Nachtwandlerartig ist mein schwanker Gang,
Gebrochen, wie mein Herz, ist meine Stimme –

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Wer sucht in mir den blühenden Almansor?

Ja, Hassan, ja, ich liebe Alys Tochter!

Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Heine: Tragödien nebst einem lyrischen Intermezzo. Dümmler, Berlin 1823, Seite 152. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Tragoedien_nebst_einem_lyrischen_Intermezzo_152.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)