Seite:Tragoedien nebst einem lyrischen Intermezzo 179.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Zuleima, Dich umschwärmt solch Nachtgevögel?
Dich, weiße Taub’, umkreisen solche Raben?
Dich, schöne Ros’, umkriechet solch Gewürm?

705
Hält denn ein Zauber dich umstrickt, Zuleima?

Ist denn das Bild des flehenden Almansors
In deiner Seele ganz und gar erloschen?
Kommt nie Erinn’rung an Almansors Liebe
Aus deinem Busen seufzend aufgestiegen?

710
     Dort oben wallen tausend Liebesboten,

Und jedem gab ich tausend Liebesgrüße,
Und schmerzlich süß entfloß mein glühend Blut,
Bey jedem Gruß, aus tausend Liebeswunden;
Und dennoch brachte keiner dieser Boten

715
Der Heißgeliebten meine heißen Grüße!

Schämt Euch, untreue Boten, Sterne oben,
Die Ihr so klug und pfiffig niederblinzelt,
Und Euch als Menschenschicksal-Lenker brüstet!
Ihr konntet nicht bestellen meine Grüße –

720
Und blöde Tauben tragen, treu und sicher,

Den Liebesbrief des Hirten in der Wüste! –
     Das Schloßgesinde ist zu Bett gegangen,

Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Heine: Tragödien nebst einem lyrischen Intermezzo. Dümmler, Berlin 1823, Seite 179. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Tragoedien_nebst_einem_lyrischen_Intermezzo_179.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)