Seite:Tragoedien nebst einem lyrischen Intermezzo 193.jpg

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Mir ist so wohl, so heimlich wohl allhier!
Sie steigen auf, die goldnen Knabenträume!
Hier ist der Garten, wo ich gerne spielte,
Hier blühn die Blumen, die mir freundlich nickten,

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Hier singt der Zeisig, der mich morgens grüßt, –

Doch sprich, mein Lieb, ich sehe nicht die Myrthe,
Wo sie einst stand, da steht jetzt die Cypresse?

Zuleima.
Die Myrthe starb, und auf das Grab der Myrthe
Hat man gepflanzt die traurige Cypresse.

Almansor.

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Noch steht die Laube von Jasmin und Geisblatt,

Wo wir die hübschen Mährchen uns erzählten,
Von Mödschnuns Wahnsinn und von Leilas Sehnsucht,
Von beider Liebe und von beider Tod.
Hier steht auch noch der liebe Feigenbaum,

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Mit dessen Frucht du meine Mährchen lohntest;

Hier stehn auch noch die Trauben und Melonen,
Die uns erquickten, wenn wir lang geschwatzt –
Doch sprich, mein Lieb, ich seh’ nicht den Granatbaum,

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Heinrich Heine: Tragödien nebst einem lyrischen Intermezzo. Dümmler, Berlin 1823, Seite 193. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Tragoedien_nebst_einem_lyrischen_Intermezzo_193.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)