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verstanden. Das kann man auch in Berlin, und dazu braucht man niemand nach London zu schicken.

Was man aber in Berlin nicht kann, ist dieses:

Zwanzig verschiedene Milieus im fremden Lande immer wieder aufsuchen: Akademiker, Gewerkschaftssekretäre, Geistlichkeit, den Adel, die Industrie, die Bauern und die Volksschullehrer. Was man in Berlin nicht kann, ist: im gesellschaftlichen Verkehr mit den Fremden auf jene Halbtöne zu horchen, auf die es so sehr ankommt, jene unwägbare Stimmung einzufangen, Zufälligkeiten vom Prinzipiellen zu sondern und Typen zu sehen. Um das zu erreichen, muß der Beobachter finanziell völlig frei sein und das besonders im Ausland, wo man andre Tischsitten und eine viel größere Geselligkeit beim Essen hat. Die dazu nötigen Spesen bewilligt keine deutsche Zeitung. Sie wirft ihr Geld zum Telephon hinaus.

Selbstverständlich ist das, was ein so profunder Kenner Frankreichs wie René Schickele nach Hause geschrieben hat, tausendmal wichtiger als dreihundert Telephonate, aus denen man sich beim besten Willen kein Bild machen kann. Trennt man die geschickte „Aufmachung“ des kümmerlichen Stoffs von seiner Substanz, so sieht man erst, wie dürftig die Quellen rinnen.

Es gibt wohl nur eine Gruppe, die in ihrem Fach wirklich gut über das Ausland unterrichtet ist: das sind die Industriellen.

Da wird mit den Spesen nicht gespart – aber diese Leute berichten auch nicht, was in den fremden Fachzeitschriften steht, sondern sie gehen umher, machen die Augen und Ohren auf und erfahren wirklich etwas. Die Presse dagegen schreibt sich selbst aus.

Alle Einwände, daß die deutsche Presse solche Spesen für

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Kurt Tucholsky: Mit 5 PS. Berlin: Ernst Rowohlt, 1928, Seite 144. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Tucholsky_Mit_5_PS_144.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)