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ein Redner auf die kleine Tribüne und spricht: zu den Kindern deutsch, zu den Eltern französisch.

„Habt ihr euch wohlgefühlt?“ Und alle Kinder im Chor: „Oui!“ „Dann vergeßt das nicht“, sagt der Redner, „und seid dankbar für die Gastfreundschaft und bewahrt an diese Monate ein gutes Andenken. Und wenn euch später einmal eure Offiziere aufrufen und euch befehlen wollen, auf die französischen Freunde zu schießen, dann tut das nicht und antwortet ihnen: „Macht euch euern Krieg alleine –!“ Und dasselbe zu den Eltern in ihrer Sprache. Und Detilleuil spricht zu ihnen im gleichen Sinn. Und dann fahren sie fort, nach Deutschland, und es ist ein schwerer Abschied.

Proletarier pflegen ja auch sonst manchmal durch Europa zu reisen – aber nur in größern Horden und mit einem Schießeisen auf dem Buckel. Hier ist der Beginn eines wahren Friedenswerkes. Hier ist internationale Solidarität der arbeitenden Klassen zur Wirklichkeit geworden, nicht zum erstenmal, aber in stärkstem Ausmaß. Wenn nicht alles täuscht, so werden diese Kinder schlechte Soldaten werden. Denn was ihnen Bücher und Vorträge nur anzudeuten vermögen, das haben sie nun mit eigenen Augen gesehen:

Daß drüben hinter den Schützengräben keine „Feinde“ wohnen, sondern Eltern, sondern Väter, Mütter, Kameraden. Daß man diese Eltern auf beiden Seiten betrogen und belogen hat, wenn man ihnen sagte, auf der andern Seite stehe der Gegner. Er steht ganz, ganz wo anders. Die Kinder werden nach Hause kommen, und man wird auf dem deutschen Bahnhof wiederum nicht erlauben, daß sie photographiert werden, damit keiner in Deutschland zu sehen bekommt, wie die Franzosen, die Menschenfresser, Kinder pflegen – diese Kinderstube braucht ihren schwarzen Mann mit den roten Hosen. Soldaten rüsten, Industrien stellen sich um, Richter versuchen,

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Kurt Tucholsky: Mit 5 PS. Berlin: Ernst Rowohlt, 1928, Seite 158. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Tucholsky_Mit_5_PS_158.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)