Seite:Tucholsky Mit 5 PS 221.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

„Sehn Sie mal,“ sagt er, „das ist so:

Wo die andern schon alles geschrieben haben – wozu sollen wir nochmal? Was Neues erfinden wollen wir nicht, weil wir nicht wollen – und da arbeiten wir um, ja. Da haben sie ‚L’Aiglon‘ geschrieben – das machen wir nochmal; da ist der ‚Kean‘ – den schreiben wir auch – einrichten nennt man diß. Nächstens werden wir einen Faust und einen Hamlet und einen Fuhrmann Henschel schreiben … ja.“

„Aha“, sagte ich.

„Ja!“ sagt er. „Wir sind die Reclam-Dichter“, sagt er. „Und denn,“ sagt er, „das enthebt uns sozusagen von aller Erfindung.“

„So –“, sage ich.

„Allemal“, sagt er. „Wollen Sie mir vielleicht sagen,“ sagt er, „wozu die gute Königin Luise gelebt hat? Die hat gelebt, damit Herr Berger aus Frankfurt ihr Schicksal gestalten kann“, sagt er. „Wenn die gute Königin Luise auch aus Frankfurt wäre, hätt er das valleicht nicht getan,“ sagt er, „aber so –. Und dann haben wir den großen Preußenkönig – von dem schneiden wir die Romäne man bloß immer so runter“, sagt er. „Der Mann war ja so interessant! Der Mann hatte ja solch ein Herz für sein Volk! Und für seine Leiden! Und für die Blasenleiden seiner Kammerdiener –! Ja. Na, und denn Joethe! Kenn Sie Joethen? Sie, da kommt keiner mit – so’n Stoff ist der Mann! Und Schiller? Kenn Sie Schillern? Das arme Luder hat Walter von Molon nicht mehr erlebt – sonst hätt er einen dreibändigen Roman aus ihm gemacht. Eine Tirolojieh nennt man diß. Ich sage Ihnen das eine“, sagt er. „Wenn Sie schlau sind, dann stellen Sie man immer eine markige Gestalt aus dem Konservationslexikon auf die Beine, das sind schon zwei Akte,

Empfohlene Zitierweise:
Kurt Tucholsky: Mit 5 PS. Ernst Rowohlt, Berlin 1928, Seite 221. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Tucholsky_Mit_5_PS_221.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)