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Mark Twain übersetzt von Wilhelm Lange: Zeitungsschreiberei in Tennessee In: Meisterbuch des Humors

Ich sprach:

„Ich muß sehr um Entschuldigung bitten; ich glaube, vielleicht würde es mir nach einiger Zeit gelingen, nach Ihrem Geschmack zu schreiben; ja ich glaube zuversichtlich, daß ich’s könnte, sobald ich einige Praxis gehabt und die Sprache gelernt hätte. Aber – offen gestanden – diese Art energischen Ausdrucks hat ihre Unbequemlichkeiten, und man ist Unterbrechungen ausgesetzt. Sie sehen das selbst. Eine kräftige Schreibart ist ohne Zweifel geeignet, das Publikum zu erheben, allein ich liebe es nicht, so viel Aufmerksamkeit auf mich zu lenken, als dieselbe hervorruft. Ich kann nicht mit der notwendigen Ruhe und Fassung schreiben, wenn ich soviel unterbrochen werde, wie das heute der Fall gewesen ist. Die Stelle hier an der Zeitung gefällt mir gar nicht übel, aber es kann mir nicht gefallen, daß man mich hier allein läßt, um die Kunden zu bedienen. Die Erlebnisse dabei, das räume ich offen ein, sind in ihrer Art nicht bloß neu, sondern auch unterhaltend, allein sie sind nicht gerecht verteilt. Ein Herr schießt durch das Fenster nach Ihnen und macht mich zum Krüppel; eine Bombe kommt durch die Ofenröhre herunter, um Ihnen eine Freude zu machen, und schleudert mir die Ofentür an den Hals; ein Freund regnet herein, um mit Ihnen Komplimente zu wechseln, und betupft mich solange mit Kugellöchern, bis meine Haut meine Grundsätze nicht mehr halten will; Sie gehen zu Ihrem Diner und Jones kommt mit seiner Peitsche; Gillespie wirft mich zum Fenster hinaus, Thompson reißt mir sämtliche Kleider vom Leibe, und ein mir ganz fremder Herr nimmt mir die Kopfhaut mit der ungenierten Offenherzigkeit eines alten Bekannten weg; und in weniger als fünf Minuten erscheinen sämtliche Strolche im Lande in ihrer Kriegsbemalung und machen sich daran, den Rest meines Körpers mit ihren Tomahawks auf den Tod zu erschrecken. Alles in allem genommen, habe ich nie in meinem Leben so ereignisvolle Augenblicke durchgemacht wie heute. Nein; Sie gefallen mir, und auch Ihre ruhige gelassene Methode, den Kunden die Dinge auseinanderzusetzen, gefällt mir; aber Sie sehen, ich bin daran nicht gewöhnt. Das Herz des Südländers ist zu leidenschaftlich und die Gastfreundschaft des Südländers zu verschwenderisch gegen den Fremdling. Die Paragraphen, die ich heute geschrieben und in deren kalte Sätze Ihre Meisterhand den glühenden Geist der Presse von Tennessee hineingegossen hat, werden zum zweitenmal ein Nest von Hornissen aufrühren. Jene ganze Bande von Redakteuren wird kommen – und sie wird obendrein ganz ausgehungert kommen und etwas zum Frühstück verlangen. Ich werde Ihnen Lebewohl sagen müssen. Ich lehne es ab, bei diesen Festlichkeiten zugegen zu sein. Ich kam meiner Gesundheit wegen nach dem Süden, aus demselben Anlaß werde ich zurückkehren, und zwar sofort. Die journalistische Tätigkeit in Tennessee ist zu aufregend für mich.“

Worauf wir unter gegenseitigem Bedauern voneinander Abschied nahmen und ich im Hospital meine Wohnung bezog.

Empfohlene Zitierweise:
Mark Twain übersetzt von Wilhelm Lange: Zeitungsschreiberei in Tennessee In: Meisterbuch des Humors. Ullstein & Co., Berlin und Wien 1908, Seite 226. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Twain-Zeitungsschreiberei_in_Tennessee-1908.djvu/7&oldid=- (Version vom 1.8.2018)