Seite:Uber den Einfluss des Korsetts auf die somatischen VerhaltnissPage4.png

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Thoraxskelettes, der Muskulatur, der Brust- und Baucheingeweide sowie alle jene Krankheitszustände in extenso anzu­führen, für deren Zustandekommen man das Korsett verant­wortlich macht. Nicht die, in ätiologischer Beziehung übrigens nicht immer ganz einwandfreien, dauernden Organveränderungen möchte ich besprechen, ich möchte vielmehr bloß über die Ergebnisse von Untersuchungen referieren, die ich mit Zuhilfe­nahme moderner technischer Behelfe, zunächst zu dem Zweck unternommen habe, um die Veränderungen zu studieren, die durch das Anlegen des Korsetts unmittelbar erzeugt werden.

Diese Untersuchungen, Messungen, photographischen und radiographischen Aufnahmen wurden, soweit dies sich als zweckdienlich und ausführbar erwies, bei einem und demselben Individuum stets mit und ohne Mieder vorgenommen. Daß sich speziell die radiographischen Aufnahmen hart an der Grenze des heutzutage technisch Möglichen bewegten, werden mir diejenigen gerne glauben, die mit dieser Art von Arbeiten vertraut sind.

Ich muß dies von allem Anbeginne betonen, um Ihre Erwartungen nicht allzu hoch zu spannen. Trotzdem glaube ich doch, manches gefunden zu haben, was auch Anderen dienen kann und deshalb mitteilenswert erscheint.

Zunächst ein Wort über das Material. Auch diesbezüg­lich sind diese Untersuchungen nicht ganz einfach. Ehe man Veränderungen studiert, muß man die Norm studieren und da beginnt eben bereits die Kalamität. Denn selbst die Mädchen der arbeitenden Klassen umgürten bei uns ihre Lenden mit dem Mieder so frühzeitig, so oft und so lange, als es nur angeht, und zwar gerade in jener Lebensperiode, in welcher Skelett und Weichteile besonders leicht modellierbar sind und das Wachstum nichts weniger als abgeschlossen ist. Es wird daher von vorneherein nur in seltenen Ausnahmefällen gelingen, bei erwachsenen Mädchen somatische Verhältnisse zu finden, die nicht bereits unter dem Einflusse des Mieders gelitten haben. Die zweite und Hauptschwierigkeit liegt aber darin, daß sich gesunde weibliche Personen begreiflicherweise nur selten dazu verstehen werden, alle nötigen Messungen und Aufnahmen, die überdies sehr ermüdend sind, an sich vor­nehmen zu lassen. Man ist daher fast ausschließlich auf die Verwendung von Berufsmodellen angewiesen. Diese Mädchen haben ebenfalls nahezu ausnahmslos Korsett getragen und das Miedertragen erst beim Eintritt in ihren letzten Beruf ent­weder dauernd oder doch fast gänzlich aufgegeben.

Da es sich mir aber nicht um Anstellung umfangreicher Sammelforschung über die Charaktere der unveränderten