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kalten und vernünftigen Dingen befassen muß. Aber auch abgesehen von der Liebe, haben die Frauen immer den Hang, sich ihrer Phantasie und einer zur Gewohnheit gewordenen Unlogik zu überlassen, und darum verblassen in ihren Augen auch die Fehler eines Geliebten viel rascher.

Die Frauen schätzen Gefühle aus leicht erklärlichen Gründen höher als den Verstand. Da sie nach unsern altmodischen Sitten in Familienangelegenheiten nicht mitzureden haben, so ist ihnen die Vernunft niemals zu etwas nütze, und sie lernen ihren Wert nirgends schätzen.

Sie ist ihnen vielmehr immer schädlich, denn sie tritt nur an sie heran, um ihnen ein Vergnügen von gestern zu schmälern oder ihnen morgen eins zu untersagen.

Überlasse einmal deiner Frau die Verwaltung von zweien deiner Landgüter, und ich wette, die Bücher werden besser, als bei dir selbst, in Ordnung sein. Und du öder Tyrann hast dann höchstens das zweifelhafte Recht, dich zu beklagen, weil du nicht das Geschick hast, dich liebenswert zu machen. Sobald die Frauen sich mit allgemeinen Dingen beschäftigen, schenken sie ihnen, ohne es selbst zu merken, ihre Liebe. In Kleinigkeiten haben sie ihren Stolz, peinlicher und genauer als die Männer zu sein. Die Hälfte des Kleinhandels ruht in ihren Händen, die damit besser fertig werden, als die ihrer Gatten. Und es ist eine allbekannte Tatsache, daß man in Gesprächen mit Frauen über geschäftliche Angelegenheiten nicht pedantisch genug sein kann.

Immer und überall dürsten sie nach Aufregungen; man denke an die Leichenfeiern in Schottland.


Empfohlene Zitierweise:
Stendhal übersetzt von Arthur Schurig: Über die Liebe (De l’Amour). Leipzig 1903, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ueber_die_Liebe_018.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)