Seite:Ueber die Liebe 121.jpg

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man die andere haben will.“ Bei den meisten jungen Spanierinnen, die der Liebe zugänglich sind, genügt es, um ihre Liebe zu entfachen, ruhig und bescheiden so zu tun, als ob für die Dame des Hauses kein Raum in unserem Herzen übrig sei. Diesen nützlichen Grundsatz habe ich von dem liebeserfahrenen General Lasalle. Er lehrt die gefährlichste Art des Angriffes auf die Eigenliebe.

Das glücklichste Bindemittel einer Ehe ist, abgesehen von der wahren Liebe, der Ehrgeiz und die Eigenliebe. Viele Gatten sichern sich auf Jahre hinaus die Liebe ihrer Frauen, wenn sie sich zwei Monate nach der Hochzeit eine kleine Geliebte halten. Man erweckt damit die Gewohnheit, nur an einen einzigen Mann zu denken. Das Band der Familie macht sie bald unbesiegbar.

Um sich zu erklären, daß zu Zeiten und am Hofe Ludwigs des Fünfzehnten eine große Dame, Frau von Choiseul, ihren Gatten anbetete, muß man wissen, daß er reges Interesse für ihre Schwester, die Herzogin von Grammont, hegte.

Selbst eine vernachlässigte Geliebte raubt uns die Ruhe, sobald sie uns merken läßt, daß sie einen andern vorzieht; sie entflammt unser Herz wieder zur Leidenschaft.

Der Mut ist beim Italiener ein Wutanfall, beim Deutschen ein Moment der Begeisterung, beim Spanier ein Ausdruck des Stolzes. Wenn es eine Armee gäbe, in welcher der Mut lediglich auf Ehrgeiz beruhte, der unter den einzelnen Soldaten jeder Kompagnie und unter den einzelnen Regimentern jeder Division herrscht, dann hätte man bei einer allgemeinen Flucht

Empfohlene Zitierweise:
Stendhal übersetzt von Arthur Schurig: Über die Liebe (De l’Amour). Leipzig 1903, Seite 121. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ueber_die_Liebe_121.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)