Seite:Ueber die Liebe 133.jpg

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fühlen, weil man freundliche Aufnahme findet. Keineswegs tadle ich die Menschen, die in ihrem Kreise so handeln. Aber bei Leonore habe ich eine andere Welt gefunden, in der alles göttlich, zart und edel war. Der erhabenste und unglaublichste Ruhm eurer Welt galt uns in unseren Gesprächen nur als etwas Gewöhnliches und Alltägliches. Laß mir darum wenigstens den Traum des Glückes, mein Dasein an der Seite eines solchen Wesens zu verbringen. Obwohl ich sehe, daß mich die Verleumdung zu grunde gerichtet hat, und ich keine Hoffnung mehr habe, will ich ihr wenigstens meine Rache opfern.“

Man kann die Liebe nur in ihrem Entstehen aufhalten. Außer einer schnellen Abreise und den unvermeidlichen Zerstreuungen der Gesellschaft gibt es noch verschiedene kleine Kniffe, die der heilende Freund anwenden kann. Zum Beispiel wird er wie zufällig in unserer Gegenwart die Bemerkung machen, die geliebte Frau bezeige uns – abgesehen von der Ursache des ganzen Zwistes – nicht die Rücksichten der Höflichkeit und Achtung, die sie einem Nebenbuhler zukommen lasse. Die geringsten Tatsachen genügen dazu, denn in der Liebe ist alles „Beweis“; zum Beispiel, wenn sie uns nicht den Arm gibt, um sich zu ihrer Loge führen zu lassen, so wird dieses Nichts von einem leidenschaftlich bewegten Herzen tragisch genommen. Es schwächt die Kristallbildung ab, vergiftet die Quelle der Liebe und kann sie sogar verschütten.

Man kann der Frau, die mit unserem Freunde schlecht umgeht, einen lächerlichen körperlichen Fehler nachsagen, der sich unmöglich feststellen läßt. Wenn der Liebende die Verleumdung nachweisen könnte, so

Empfohlene Zitierweise:
Stendhal übersetzt von Arthur Schurig: Über die Liebe (De l’Amour). Leipzig 1903, Seite 133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ueber_die_Liebe_133.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)