Seite:Ueber die Liebe 168.jpg

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keine trüben Betrachtungen anzustellen und dürfen zum Lächerlichen übergehen.

Man sieht den schottischen Frauen eine tiefe Melancholie an. Besonders verführerisch wirkt sie auf dem Balle, wo sie dem Feuer und dem leidenschaftlichen Eifer bei ihren Nationaltänzen etwas eigenartig Pikantes hinzufügt. Edinburg hat noch einen zweiten Vorteil, weil es sich der gemeinen Großmacht des Goldes entzogen hat. Hierdurch und durch die seltsame, wilde Schönheit ihrer Lage bildet diese Stadt den vollen Gegensatz zu London. Wie Rom, erscheint das schöne Edinburg als der richtige Ort zu einem beschaulichen Dasein. Der rastlose Wirbel und die unruhigen Forderungen des täglichen Lebens mit seinen Vor- und Nachteilen gehören nach London. Edinburg scheint mir seinen Tribut an den Teufel durch einen geringen Hang zur Pedanterie zu zahlen. Die Zeiten, wo Maria Stuart im alten Holyrood Hof hielt und Riccio in ihren Armen ermordet wurde, waren für die Liebe günstiger, als die (darin werden mir alle Frauen recht geben), wo man lange und sogar in ihrer Gegenwart darüber streitet, ob dem neptunischen oder vulkanischen System der Vorrang zu geben sei. Lieber ist mir noch ein Gespräch über die neue Uniform, die der König der Garde verliehen hat, oder über die Herrn B*** entgangene Lordschaft, die London bei meinem dortigen Aufenthalt gerade beschäftigte, als eine Unterhaltung von den besten Forschungen über die Natur der Felsen …

Ich will nichts über den schrecklichen schottischen Sonntag sagen, gegen den einer in London wie ein Vergnügungsausflug erscheint. Dieser Tag, der zur

Empfohlene Zitierweise:
Stendhal übersetzt von Arthur Schurig: Über die Liebe (De l’Amour). Leipzig 1903, Seite 168. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ueber_die_Liebe_168.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)