Seite:Ueber die Liebe 184.jpg

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jedes sagen, um was ich dich frage!“ – „Herr, so viel Ihr mich auch zu fragen beliebt, immer will ich Euch die Wahrheit sagen.“ – Und Herr Raimund fragte: „Wilhelm, sage mir bei Gott und dem heiligen Glauben, hast du eine Geliebte, die du besungen hast und an die dich Amor fesselt?“ – Wilhelm antwortete: „Herr, wie könnte ich singen, wenn Amor mich nicht drängte? Hört die Wahrheit, Herr, Amor hat mich ganz in seiner Gewalt!“ Raimund fuhr fort: „Das will ich gern glauben, daß du sonst nicht so schön dichten könntest. Aber ich will gern wissen, wer deine Dame ist?“ – „Ach Herr, im Namen Gottes, was verlangt Ihr da? Ihr wißt doch sehr wohl, daß man den Namen seiner Dame nicht nennen darf und daß Bernhard von Ventadour sagt:

‚Wenn dich wer fragt nach deinem Lieb,
Nur eine kluge Antwort gib:
Am besten magst du lügen keck,
Die Wahrheit wäre nicht am Fleck.
Nein, töricht ist und knabenhaft,
Wer seines Herzens Leidenschaft
Ausplaudert einem andern Mann,
Der nimmer helfen will und kann.‘“ –

Herr Raimund antwortete: „Ich gebe dir mein Wort, daß ich dir helfen will, soweit ich kann.“ Er drang immer weiter in ihn, bis Wilhelm sagte: „Herr, so wißt denn, daß ich die Schwester von Frau Margarete, Eurer Gemahlin, liebe und daß ich ihre Gegenliebe erhoffe. Jetzt, da Ihr es wißt, bitte ich Euch, mir zu helfen oder mir wenigstens nicht zu schaden.“ – „Nimm Hand und Wort,“ sprach Raimund, „ich

Empfohlene Zitierweise:
Stendhal übersetzt von Arthur Schurig: Über die Liebe (De l’Amour). Leipzig 1903, Seite 184. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ueber_die_Liebe_184.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)