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der Zeit von 1815–1880 entstehen. Nichts wird so schön, gerecht und glücklich sein, wie das geistige Frankreich gegen 1900. Jetzt ist es nichts. Was in der Rue de Belle-Chasse als Schändlichkeit gilt, ist in der Rue du Mont-Blanc eine Heldentat, Mitten aus allen diesen Übertreibungen retten sich die wirklich der Verachtung fähigen Menschen von Straße zu Straße. Wir hatten eine Zuflucht, die Preßfreiheit, die die Tat eines jeden hinterher beurteilte, und wenn eine Tat von der öffentlichen Meinung zufällig gebilligt wurde, blieb es dabei. Man hat uns diese Zuflucht genommen und dadurch die Geburt der wahren Kultur hinausgeschoben.


4.

Ein gewisser Hang zur Streitsucht hat unsre Jugend ergriffen und ihre erotischen Neigungen verdrängt. Mit der Frage, ob Napoleon für Frankreich förderlich gewesen sei, läßt man die Jahre der Liebe dahingehen. Selbst solche, die jung sein wollen, denken nur an ihre Krawatte, ihre Sporen und ihr schneidiges Aussehen, und vergessen über ihrer Selbstgefälligkeit, einem bescheidenen, ungezierten jungen Mädchen, das ihnen begegnet, Beachtung zu schenken.


5.

Die Franzosen haben weder wahren Genuß an der Unterhaltung, noch am Theater. Beides ist ihnen nicht eine Erholung und ein völliges Sichgehenlassen, sondern eine Arbeit.


6.

Jene Illusion, die im Augenblick entsteht und vergeht, sucht die Menge im Theater niemals, sondern die Gelegenheit, dem Nachbar, oder wenn man das

Empfohlene Zitierweise:
Stendhal übersetzt von Arthur Schurig: Über die Liebe (De l’Amour). Leipzig 1903, Seite 260. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ueber_die_Liebe_260.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)