Seite:Ueber die Liebe 281.jpg

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sich in diesem glücklichen Klima viele Frauen bis ins fünfundvierzigste Jahr vorzüglich und meistens heiraten sie mit achtzehn Jahren.

So sagte gestern die Valchinsa über Lampugnani: „Ja, der war ganz für mich geschaffen, der verstand es, zu lieben …“ und unterhielt sich noch des längeren darüber mit einer Freundin in Gegenwart ihres Töchterchens, eines sehr geweckten Mädchens von vierzehn oder fünfzehn Jahren, das sie auch bei ihren sentimentalen Spaziergängen mit jenem Liebhaber gewöhnlich mitgenommen hatte.

Auf diese Weise eignen sich die jungen Mädchen bisweilen ausgezeichnete Grundsätze für ihr Verhalten an. Zum Beispiel erteilte die Signora Guarnacci ihren beiden Töchtern in Gegenwart zweier Herren, die eben ihren ersten Besuch machten, eine halbe Stunde lang tiefsinnige und durch Beispiele erläuterte Lehren über den Zeitpunkt, an dem man einen Geliebten, der sich schlecht beträgt, durch Untreue strafen müsse.


58.
Modena, 1820.

Zilietti sagte zu mir um Mitternacht bei der liebenswürdigen Marchesina R***: „Ich werde nicht nach San-Michele zum Diner kommen; ich habe dort gestern ein paar Witze erzählt, habe mit Cl*** gescherzt, das könnte aufgefallen sein.“

Keineswegs darf man Zilietti für beschränkt oder ängstlich halten. Er ist ein verständiger und sehr wohlhabender Bewohner dieses glücklichen Landes.


59.

Das Lächerliche ist der Tod der Liebe. In Italien gibt es nichts Lächerliches. Was in Venedig wohlanständig

Empfohlene Zitierweise:
Stendhal übersetzt von Arthur Schurig: Über die Liebe (De l’Amour). Leipzig 1903, Seite 281. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ueber_die_Liebe_281.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)