Seite:Ueber die Liebe 336.jpg

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beträchtliche Menge Opium, das sie in ihren Toilettentisch verschloß.

Am nächsten Morgen erklärte sie ihrer Mutter, wenn sie nicht dafür sorge, daß Gustav wiederkäme, würde sie sich mit Opium vergiften und mit einem eigens dazu bestellten Dolche erdolchen.

Die Mutter, die sehr wohl wußte, was sie von Weilbergs Liebe zu halten hatte, suchte ihn auf, da sie einen Skandal befürchtete, und erzählte ihm, ihre Tochter sei verrückt, stelle sich verliebt in ihn und wolle sich ums Leben bringen, falls er nicht wiederkäme. Sie fügte hinzu: „Gehen Sie wieder hin zu ihr; seien Sie recht schroff gegen sie; machen Sie sich ihr verhaßt und kommen Sie dann nicht wieder!“ Weilberg war ein guter Mensch; er fühlte Mitleid mit der alten Mutter, die so mit Bitten zu ihm kam, und willigte ein, sich zu dieser ärgerlichen Komödie herzugeben, nur um dem Skandal aus dem Wege zu gehen, den die Mutter befürchtete.

Er ging also wieder hin. Die junge Frau sagte ihm nichts, sie machte ihm nur einige liebenswürdige Vorwürfe wegen seines fünftägigen Fernbleibens. Als sie allein waren, kam es ihr nicht in den Sinn, von Liebe zu reden, in Erinnerung an den bewußten Tag auf der Reise, wo er seinen Hut genommen hatte und fortgelaufen war, als sie ihre Liebeserklärung beginnen wollte.

Weilberg ist sehr musikalisch. Sie verbrachte die Zeit mit Klavierspielen, und da sie wundervoll spielt, blieb Weilberg gern da, um ihr zuzuhören.

Vor aller Augen benahm sie sich anders, sie sprach von nichts weiter mit ihm, als von Liebe, freilich auf eine sehr geschickte Weise. Da er unglücklicherweise

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Stendhal übersetzt von Arthur Schurig: Über die Liebe (De l’Amour). Leipzig 1903, Seite 336. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ueber_die_Liebe_336.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)