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An Kerner.


Es war in traurigen Novembertagen,
Ich war gewallt zum stillen Tannenhaine
Und stand gelehnet an der höchsten eine,
Da hielt ich deine Lieder aufgeschlagen.

5
Versunken war ich in die frommen Sagen:

Bald kniet’ ich vor Sankt Albans Wundersteine,
Bald schaut’ ich Regiswind im Rosenscheine,
Bald sah ich Helicena’s Münster ragen.

Welch lieblich Wunder wirkten deine Lieder!

10
Die Höh’ erschien in goldnem Maienstrale

Und Frühlingsruf ertönte durch die Wipfel.

Doch bald verschwand der Wunderfrühling wieder,
Er durfte nicht sich senken in die Thale,
Im Fluge streift’ er nur der Erde Gipfel.

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Uhland: Gedichte von Ludwig Uhland (1815). J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1815, Seite 100. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:UhlandGedichte1815_0100.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)