Seite:UhlandGedichte1815 0111.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Der Wald.


Was je mir spielt’ um Sinnen und Gemüthe
Von frischem Grün, von kühlen Dämmerungen,
Das hat noch eben mich bedeckt, umschlungen,
Als eines Maienwaldes Lustgebiete.

5
Was je in Traum und Wachen mich umglühte

Von Blumenschein, von Knospen, kaum gesprungen,
Das kam durch die Gebüsche hergedrungen,
Als leichte Jägerin, des Waldes Blüthe.

Sie floh dahin, ich eilte nach, mit Flehen,

10
Bald hätten meine Arme sie gebunden,

Da mußte schnell der Morgentraum verwehen.

O Schicksal, das mir selbst nicht Hoffnung gönnte!
Mir ist die Schönste nicht allein verschwunden,
Der Wald sogar, drin ich sie suchen könnte.

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Uhland: Gedichte von Ludwig Uhland (1815). J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1815, Seite 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:UhlandGedichte1815_0111.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)