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Auf abenteuerlicher Fahrt durchschweifen,
Beschirmen soll er einst mit starker Hand
Das mächtige Gebiet, die hohen Burgen,
Vereintes Erbthum beider Grafenstämme.
Des jungen Ritters Bräutlein lag indeß
Noch in der Wieg’, im dämmernden Gemach,
Von treuen Wärterinnen wohl besorgt.
Nun kam ein milder Frühlingstag in’s Land,
Da trugen sie das ungeduld’ge Kind
Zum sonnig heitern Meeresstrand hinab
Und brachten Blum’ und Muschel ihm zum Spiel.
Die See, von leisem Lufthauch kaum bewegt,
Sie spiegelte der Sonne klares Bild
Und warf den Zitterschein auf’s junge Grün.
Am Strande lag gerad’ ein kleiner Kahn,
Den schmücken jetzt die Frau’n mit Schilf und Blumen
Und legen ihren holden Pflegling drein
Und schauckeln ihn am Ufer auf und ab.
Das Kindlein lacht, die Frauen lachen mit,
Doch eben unter’m fröhlichsten Gelächter
Entschlüpft das Band, daran sie spielend ziehn,
Und als sie es bemerken, kann ihr Arm
Das Schifflein nicht vom Strande mehr erreichen.
So scheinbar still die See, so wellenlos,
Doch spült sie weiter stets den Kahn hinaus.
Man höret noch des Kindes herzlich Lachen,
Die Frauen aber sehn verzweifelnd nach,
Mit Händeringen, wildem Angstgeschrei.
Der Knabe, der sein Liebchen zu besuchen
Gekommen war und jetzt das leichte Roß
Auf grüner Uferwiese tummelte,

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Uhland: Gedichte von Ludwig Uhland (1815). J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1815, Seite 146. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:UhlandGedichte1815_0146.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)