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Vom treuen Walther.


Der treue Walther ritt vorbei
An unsrer Frau Kapelle.
Da kniete gar in tiefer Reu’
Ein Mägdlein an der Schwelle.

5
„Halt an, halt an, mein Walther traut!

Kennst du nicht mehr der Stimme Laut,
Die du so gerne hörtest?“

„Wen seh’ ich hier? Die falsche Maid,
Ach! weiland, ach, die Meine!

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Wo liessest du dein seiden Kleid?

Wo Gold und Edelsteine?“
„O daß ich von der Treue ließ!
Verloren ist mein Paradies,
Bei dir nur find’ ich’s wieder.“

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Er hub zu Roß das schöne Weib,

Er trug ein sanft Erbarmen;
Sie schlang sich fest um seinen Leib
Mit weissen, weichen Armen.
„Ach, Walther traut! mein liebend Herz,

20
Es schlägt an kaltes, starres Erz,

Es klopft nicht an dem deinen.“

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Uhland: Gedichte von Ludwig Uhland (1815). J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1815, Seite 173. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:UhlandGedichte1815_0173.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)