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Romanze vom Recensenten.


Rezensent, der tapfre Ritter,
Steigt zu Rosse, kühn und stolz;
Ist’s kein Hengst aus Andalusien,
Ist es doch ein Bock von Holz.

5
Statt des Schwerdts die scharfe Feder

Zieht er kampfbereit vom Ohr,
Schiebt, statt des Visiers, die Brille
Den entbrannten Augen vor.

Publikum, die edle Dame,

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Schwebt in tausendfacher Noth,

Seit ihr bald, barbarisch schnaubend,
Ein Siegfried’scher Lindwurm droht,

Bald ein süßer Sonettiste
Sie mit Lautenklimpern lockt,

15
Bald ein Mönch ihr mystisch predigt,

Daß ihr die Besinnung stockt.

Recensent, der tapfre Ritter,
Hält sich gut im Drachenmord,
Schlägt in Splitter alle Lauten,

20
Stürzt den Mönch vom Kanzelbord.


Dennoch will er, groß bescheiden,
Daß ihn Niemand nennen soll,
Und den Schild des Helden zeichnet
Kaum ein Schriftzug, räthselvoll.

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Recensent, du Hort der Schwachen,

Sey uns immer treu und hold!
Nimm zum Lohn des Himmels Segen,
Des Verlegers Ehrensold !

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Uhland: Gedichte von Ludwig Uhland (1815). J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1815, Seite 236. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:UhlandGedichte1815_0236.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)