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„Hörst du mich, getreuer Knappe?

Wann dies Herz nun ausgeschlagen, Zu der Dame von Fayel Sollt du es hinübertragen!“

In geweihter, kühler Erde

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Wird der edle Leib begraben:

Nur das Herz, das müde Herz, Soll noch keine Ruhe haben.

Schon in einer goldnen Urne Liegt es, wohl einbalsamiret,

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Und zu Schiffe steigt der Diener,

Der es sorgsam mit sich führet.

Stürme brausen, Wogen schlagen, Blitze zucken, Maste splittern, Aengstlich klopfen alle Herzen,

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Eines nur ist ohne Zittern.

Golden stralt die Sonne wieder, Frankreichs Küste glänzet drüben, Freudig schlagen alle Herzen, Eines nur ist still geblieben.

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Schon im Walde von Fayel

Schreitet rasch der Urne Träger, Plötzlich schallt ein lustig Horn Sammt dem Rufe wilder Jäger.

Aus den Büschen rauscht ein Hirsch,

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Dem ein Pfeil im Herzen stecket,

Bäumt sich auf und stürzt und liegt Vor dem Knappen hingestrecket.

Sieh! der Ritter von Fayel, Der das Wild in’s Herz geschossen,

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Sprengt heran mit Jagdgefolg

Und der Knapp’ ist rings umschlossen. <poem>

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Uhland: Gedichte von Ludwig Uhland (1815). J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1815, Seite 245. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:UhlandGedichte1815_0245.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)