Ludwig Uhland: Gedichte von Ludwig Uhland (1815) | |
|
Bald sieht Herr Ulrich drüben der Städte Schaaren stehn,
Von Reutlingen, von Augsburg, von Ulm die Banner wehn,
Da brennt ihn seine Narbe, da gährt der alte Groll:
Er sprengt zu seinem Vater: „heut zahl’ ich alte Schuld,
Will’s Gott, erwerb’ ich wieder die väterliche Huld!
Nicht darf ich mit dir speisen auf einem Tuch, du Held!
Doch darf ich mit dir schlagen auf einem blut’gen Feld.“
Sie stürzen auf die Feinde, thun sich als Löwen kund.
Hei! wie der Löwe Ulrich so grimmig tobt und würgt!
Er will die Schuld bezahlen, er hat sein Wort verbürgt.
Wen trägt man aus dem Kampfe, dort auf den Eichenstumpf?
O königliche Eiche, dich hat der Blitz zerspällt!
O Ulrich, tapfrer Ritter, dich hat das Schwerdt gefällt!
Da ruft der alte Recke, den nichts erschüttern kann:
„Erschreckt nicht! der gefallen, ist wie ein andrer Mann.
Wie rauscht sein Bart im Winde! hei! wie der Eber haut!
Die Städter han vernommen das seltsam list’ge Wort.
„Wer flieht?“ so fragen Alle, schon wankt es hier und dort.
Das Wort hat sie ergriffen gleich einem Zauberlied,
Ludwig Uhland: Gedichte von Ludwig Uhland (1815). J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1815, Seite 323. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:UhlandGedichte1815_0323.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)