Seite:UhlandGedichte1815 0333.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
7.

Es steht ein hoher, schroffer Fels,
Darum die Adler fliegen,
Doch wagt sich keiner drauf herab,

100
Den Drachen sehen sie liegen.


In alten Mauern liegt er dort,
Mit seinem goldnen Kamme,
Er rasselt mit der Schuppenhaut,
Er hauchet Dampf und Flamme.

105
Der Jüngling, ohne Schwerdt und Schild,

Ist keck hinaufgedrungen,
Die Arme wirft er um die Schlang’
Und hält sie fest umrungen.

Er küßt sie dreimal in den Schlund,

110
Da muß der Zauber weichen,

Er hält im Arm ein holdes Weib,
Das schönst’ in allen Reichen.

Die herrliche, gekrönte Braut
Hat er am Herzen liegen,

115
Und aus den alten Trümmern ist

Ein Königsschloß gestiegen.

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Uhland: Gedichte von Ludwig Uhland (1815). J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1815, Seite 333. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:UhlandGedichte1815_0333.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)