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Lange lange Lehrgedichte,
Die spinn’ ich recht mit Fleiß,
Flächsene Heldengedichte,

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Die haspl’ ich schnellerweis’.

Mein Kater maut Tragödie,
Mein Rad hat lyrischen Schwung,
Meine Spindel spielt Komödie
Mit Tanzbelustigung.“

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Die Fürstin thät erbleichen,

Als man von Spindeln sprach,
Sie wollte flugs entweichen,
Die Spindel sprang ihr nach;
Und an der morschen Schwelle,

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Da fiel das Fräulein jach,

Die Spindel auf der Stelle
Sie in die Ferse stach.

Was war das für ein Schrecken,
Als man sie Morgens traf!

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Sie war nicht mehr zu wecken,

Sie schlief den Zauberschlaf.
Ein Lager ward bereitet
Im hohen Rittersaal,
Goldstoffe drauf gebreitet

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Und Rosen ohne Zahl.
Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Uhland: Gedichte von Ludwig Uhland (1815). J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1815, Seite 345. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:UhlandGedichte1815_0345.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)