Seite:Ulmische Zustände 32.png

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

aber im Jahre 1556 auf 41 vermehrt worden ist, wovon 24 aus den Geschlechtern und blos 17 aus der zünftigen Bürgerschaft genommen wurden; zudem sind diese letztern nicht mehr wie zuvor von den Zünften – von Ihresgleichen, – sondern sie sind von den patrizischen Rathsherrn gewählt worden. Auf diese Weise gieng nicht nur das Uebergewicht, welches die bürgerlichen Rathsherren bisher durch ihre Zahl über die patrizischen gehabt hatten, verloren, und auf die letztern über, sondern die bürgerlichen Rathsherrn geriethen auch in eine Art abhängiger Stellung von den patrizischen, weil sie ihnen ihre Wahl zu danken hatten.

Zudem bekleidete das Patriziat auch die höchsten Aemter des Staats, die Rathsältern, die Bürgermeister, die Obervögte auf dem Lande wurden ausschließlich aus dem Patriziate gewählt und in den übrigen bedeutenden Aemtern bildete dasselbe die Mehrzahl.

Dieser Aristokratie stund endlich keine aus dem Bürgerstande hervorgegangene Körperschaft gegenüber, deren Gutachten oder Genehmigung sie in wichtigen Dingen einzuholen gehabt hätte; wie dieß in manchen andern Reichsstädten der Fall gewesen; somit war die hiesige Aristokratie beinahe unumschränkt; sie stund blos unter Kaiser und Reich.

Solche Vorzüge der Geburt, durch bürgerliche Macht weder beschränkt noch berathen, waren der hauptsächlichste Grund fortwährender Streitigkeiten zwischen dem Magistrate und der Bürgerschaft; sie steigerten sich fast bis zum Aufruhr, als die französische Revolution ausbrach und sich nach allen Seiten hin ausbreitete; in den 1790 Jahren bildete sich ein permanenter Bürgerausschuß mit einem eigenen Syndikus, der die Beschwerden der Bürgerschaft bei dem Reichshofrathe in Wien fortwährend verfolgte, und es ist diesen unheilvollen Zerwürfnissen nur durch die Mediatisirung der Stadt ein Ende gemacht worden.


§. 27.

Das Reichsstädtische Steuerwesen ist in manchen Beziehungen kaum aus dem Kindesalter der Finanzwissenschaft herausgekommen.

Empfohlene Zitierweise:
Christoph Leonhard Wolbach: Ulmische Zustände. Ernst Nübling, Ulm 1846, Seite 32. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ulmische_Zust%C3%A4nde_32.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)