Seite:Veckenstedt - Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche.pdf/11

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Römer in ganz anderer Weise entspricht, als den Zwölfen, dass die Schwichawa Reste eines Dienstes der Liebesgöttin zu bergen scheint.

Auch für den heidnischen Festkalender der arischen Völker ist, wie ich meine, die Zeit gekommen, in welcher auf Grund des bisher gesicherten Materiales die Resultate gezogen werden können: ist das geschehen, so wird sich mit Aussicht auf Erfolg die Untersuchung führen lassen, welchen Einfluss die frühere Cultur der Semiten auch hier auf die Arier ausgeübt hat.

Als Ergänzung des Werkes wird sich eine Zusammenstellung der wendischen Ernte-, Hochzeits- und Beerdigungsgebräuche als ebenso nothwendig erweisen, wie das Johannis-, Stoll- und Gänserichreiten als so charakteristisch erscheint, dass ein näheres Eingehen darauf der Forschung hoch willkommen sein wird. Hoffentlich, wenn nicht ein anderer Forscher die nöthigen Notizen giebt, werde ich in nicht zu langer Zeit auch diese Arbeit abschliessen können, vielleicht zusammen mit einer Sagensammlung, welche ich in Mitteldeutschland, von der Oder bis zur Elbe, veranstaltet habe. Auch diese Sammlung birgt eine ungewöhnliche Fülle des Interessanten und Neuen: Die Crossener Odernixe, der Nespech: der Poldsche, der Bläk, die Hollrücken, die Purken, welche in den berührten Gegenden Deutschlands ihr Wesen treiben, beweisen die sagenumbildende und sagenschaffende Kraft der Bewohner auch dieses Theiles von Deutschland.

Es schien mir eine Zeit lang, als könnte die vorliegende Sammlung der Anmerkungen nicht entbehren. Eigene Erfahrungen, welche ich bei meinen Vorträgen in verschiedenen Städten der Niederlausitz, sowie in der Berliner Anthropologischen Gesellschaft zu machen Gelegenheit hatte, zeigten mir evident, dass in Deutschland, welches unter allen Ländern die meisten Sagensammlungen besitzt, die Gelehrten dem mythologischen und Sagenstudium zwar mit Eifer und auch nach dem Hinscheiden der Gebrüder Grimm noch mit Erfolg obliegen, dass aber, wie in so vielen andern Dingen, das Volk und der sogenannte Gebildete kaum eine Ahnung von den Arbeiten und Errungenschaften seiner Gelehrten