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XIII.
Schwanjungfrauen.

1.

Ein Knabe bemerkte einmal in der Mitte eines Sees, welcher in einem Walde gelegen war, drei schneeweisse Schwäne. Die Schwäne hatten den Knaben kaum gesehen, so schwammen sie auf das Ufer zu. Dem Knaben gefiel das zutrauliche Wesen der Thiere so, dass er am Ufer entlang ging und eine Stelle suchte, wo er sich ihnen möglichst nähern könnte. Endlich traf er eine seichte Stelle. Er wollte schon in das Wasser hinein waten, als er einen Kahn mit einem Ruder versehen am Ufer erblickte. Er stieg sogleich in den Kahn, ergriff das Ruder und folgte den Schwänen, welche immer dicht vor ihm her schwammen, allein so nahe er ihnen auch kam, ergreifen liessen sich dieselben von ihm nicht.

Kaum hatte der Knabe auf diese Weise die Mitte des Sees erreicht, so verfiel er in einen tiefen Schlaf. Als er nach langer Zeit erwachte, fand er sich in einem himmelblauen Bett, vor ihm aber standen drei schöne Jungfrauen. Er fragte, wo er sich befinde. Die Jungfrauen sagten, er sei tief unter dem See in einem Schlosse, sie selbst wären die drei Schwäne, welche er auf dem See gesehen habe.

Darauf forderten ihn die Jungfrauen auf, er solle ihnen folgen, sie wollten ihn überall im Schlosse herumführen. Der Knabe folgte den schönen Mädchen. Nachdem sie im Schlosse Alles besehen hatten, führten sie ihn in den Schlossgarten. Dort stand Alles in üppiger Pracht: das Gras war so hoch, dass es dem Knaben über dem Haupte zusammenschlug.