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21.

Die boža łosć ist eine Klage derjenigen verstorbenen Menschen, welche im Grabe keine Ruhe finden.

Schorbus.     
22.

Die boža łosć ist eine kleine Frau; man sieht sie mitunter auf einem frischen Grabe sitzen und weinen. Wem sie sich gezeigt hat, dem stirbt bald Jemand aus der Familie.

Schorbus.     
23.

In einem Hause in dem Dorfe Mischen hörten die Leute eines Tages vor dem Fenster ein ängstliches Klagen und Weinen: sie sahen zum Fenster hinaus und fragten, was es gäbe. Da antwortete eine Stimme, der Herr werde in der Nacht sterben. Am andern Morgen fand sich, dass der Hausherr noch lebe, der Haushahn aber todt sei; also hatte die boža łosć diesen gemeint, als sie von dem bevorstehenden Tod des Hausherrn gesprochen.

Mischen.     
24.

In Guhrow liess sich einst die boža łosć mehrere Abende hindurch in einem Strauche, welcher dicht am Hause eines Bauern stand, vernehmen. Die Leute wollten sie gern los sein und fragten deshalb, warum sie so jämmerlich weine. Die boža łosć antwortete: „Ihr werdet noch mehr weinen als ich, wenn Euch der Wirth stirbt.“ Die Leute hielten diese Antwort für lächerlich und fragten, ob sie mit dem Wirth den Herrn auf dem Boden meine. Die boža łosć bejahte das. Bald darauf starb der Haushahn. Somit war der Wirth auf dem Boden todt. Aber es währte nicht lange, so starben auch mehrere Kinder aus dem Hause, also dass das Haus voll Klagen und Weinen war.

Dissen.     
25.

Vor mehreren Jahren trug in Striesow ein Mädchen Wasser in den Ofenkessel. Plötzlich hörte sie aus dem Ofen heraus ein so grausiges Geschrei, dass sie die Wasserkanne wegwarf und eiligst die Stube verliess.