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es recht; mir aber gefällt die Königstochter viel besser: ich möchte die haben und König werden.“ Das hatte zufällig der König gehört. Er ward sehr böse darüber, liess beide vor sich kommen und forderte sie auf, zu wiederholen, was sie soeben mit einander gesprochen hatten. Nachdem sie das gethan, gab der König das Kammermädchen dem, welcher sich dieselbe gewünscht hatte, zu dem andern aber sprach er: „Du bist undankbar und verwegen. Ich sollte Dich eigentlich gleich mit dem Tode bestrafen, doch ich will Dir sogar meine Tochter geben, und Du sollst später König werden, wenn morgen früh um neun Uhr zwei Esel mit Gold beladen vor meinem Palast stehen. Kannst Du das nicht leisten, so musst Du sterben.“

Betrübt ging der also Angeredete in seine Wohnung zurück. Essen und Trinken schmeckten ihm nicht mehr und angstvoll dachte er an seinen Tod; es schien ihm unmöglich, dass er soviel Gold werde beschaffen können. Wie er so da sass und die Hände rang, fiel ihm ein, dass er noch von seiner Kindheit her ein Schmuckstück besässe, an das er nicht mehr gedacht, ausser dass er es stets beim Ankleiden eingesteckt hatte. Die Dose nahm er nun in die Hände und dachte: „Ach, wärest Du doch nur voll Gold; freilich nützen könnte es nicht viel, aber es wäre doch immer etwas.“ Dabei traf es sich, dass er die Dose öffnete. Sogleich hörte er eine Stimme, welche sprach: „Herr, rede, was befiehlst Du?“ Das kam ihm zwar sonderbar vor, allein er achtete nicht weiter darauf, sondern schloss die Dose wieder. Zufällig öffnete er sie gleich darauf zum zweiten Male und wieder hörte er dieselben Worte. Allein auch jetzt schloss er die Dose wieder, ohne Werth auf das Gehörte zu legen. Als er aber zum dritten Male die Dose geöffnet und dieselbe Stimme gehört hatte, sagte er: „Nun gut, wenn ich befehlen kann was ich will, so wünsche ich, dass morgen in aller Frühe zwei Esel mit Gold beladen vor dem Palast des Königs halten.“ Darauf antwortete dieselbe Stimme: „Es soll geschehen, Herr, wie Du befiehlst.“ Darauf legte er sich ruhig schlafen.

Später als gewöhnlich erwachte er. Es kam ihm Alles,