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und mit diesem ging das Mädchen auf den Löbauer Berg. Als es am Berge war, sah es in einer Felsenwand ein Thor weit geöffnet. Durch dasselbe gelangte es in eine grosse Höhle, in welcher ein goldener Tisch stand: an dem Tisch sassen die Reiter, welche in jener Nacht vorüber gezogen waren, aber alle schliefen.

Kaum war das Mädchen eingetreten, so reckten Alle die Köpfe in die Höhe, ein alter Reitersmann aber trat herzu und fragte: „Beschenken sich die Wenden noch gegenseitig mit frischgebackenem Brode?“ Ohne Furcht antwortete das Mädchen: „Ja wohl!“ Der Alte fragte weiter: „Fliegen in der Lausitz noch die schnatternden Vögel mit den langen Schwänzen?“ Das Mädchen wusste nicht sogleich, welche Vögel der Alte meinte; doch fiel ihm ein, es möchten wohl die Elstern sein, und schnell antwortete es: „Ja, ja, deren giebt es dort noch genug.“ Da liess der Alte den Kopf hängen und sprach: „Dann ist unsere Zeit noch nicht gekommen.“ Nach diesen Worten ging er an seinen Ort, und Alle schliefen wieder ein. Darauf trat jener Anführer, welcher den Ring verloren hatte, zu dem Mädchen und zeigte ihm eine grosse Pfanne voll Gold; er sagte, dasselbe könne davon nehmen, so viel es wolle. Das Mädchen liess sich nicht lange nöthigen, setzte das Kind auf den goldenen Tisch, füllte die Taschen, raffte die Schürze voll und trug das Gold hinaus, um dann das Söhnchen zu holen. Aber kaum war das Mädchen vor dem Felsen, so schlug das Thor zu, in Löbau aber schlug die Uhr eins. Das Mädchen fiel ohnmächtig zur Erde, als es die kahle Felsenwand vor sich sah. Als das Mädchen wieder zu sich gekommen war, rief und weinte es; aber vergebens rang die junge Mutter die Hände und bat Gott auf den Knieen um ihren Sohn, es war Alles umsonst, der Fels öffnete sich nicht wieder. Da ward ihr auch das Gold gleichgültig. Als kein Beten und Jammern half, eilte sie nach Löbau hinab und fragte dort alle Geistlichen um Rath, aber auch die konnten nicht helfen. Endlich rieth ihr ein alter, kluger Mann, sie möchte über’s Jahr wieder zu dem Berg gehen, und sehen, ob sich der Felsen wieder öffnen werde.

Schon eine Woche vor der festgesetzten Zeit stand das Mädchen vor dem Felsen, um die rechte Stunde nicht zu versäumen. Endlich nahte die letzte Nacht. In Löbau auf