eine weisse Frau gesehen, welche mit klagender Geberde an der Brücke sitzt. Sowie die Leute dort vorübergehen, verschwindet sie, dann aber hockt sie den Vorübergehenden auf, so dass diese eine schwere Last zu tragen haben. Die also Geplagten sind froh, wenn sie die ersten Häuser des Dorfes erreicht haben, denn dort verschwindet der Spuk.
In Werben lebte einmal ein Schmied. So oft derselbe ausging, setzte sich ihm stets eine schwarze Gestalt auf den Rücken, welche er tragen musste. Einstmals, als er die Gestalt nahen sah, ergriff er in seinem Zorn das Gewehr und schoss darnach. Da flog die Gestalt hoch in die Luft, aber sie warf einen schweren Stein auf ihn herab, welcher den Schmied erschlug.
In Sergen hat gar Mancher des Abends ein rothes Kalb gesehen. Wer das Kalb sah, der musste sagen: „Was wollt Ihr? Ich gehe nach Hause.“ That er das, so geschah ihm nichts. Nun ging einmal ein junger Bursch zur Spinnte. Dem begegnete das rothe Kalb auch. Der Bursch aber sagte nichts, als er das rothe Kalb sah. Plötzlich sprang ihm eine Katze auf den Rücken. So sehr er sich bemühte, dieselbe abzuschütteln, es gelang ihm nicht. Eiligst lief er darauf nach Hause. Vor der Wohnung war die Katze plötzlich vom Rücken weg, der Bursch aber starb drei Tage darauf.
Einst ging ein Bauer von Tschacksdorf nach Domsdorf. An einem Scheidewege sah er plötzlich eine kleine, weisse Gestalt. Der Bauer ging ruhig daran vorüber. Er hatte aber noch keine drei Schritte gemacht, so fühlte er, wie ihm etwas auf den Rücken sprang, das er trotz aller Mühe, es abzuschütteln, tragen musste. Erst als er sein Dorf erreicht
Edmund Veckenstedt: Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche. Leuschner & Lubensky, Graz 1880, Seite 328. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Veckenstedt_-_Wendische_Sagen,_M%C3%A4rchen_und_abergl%C3%A4ubische_Gebr%C3%A4uche.pdf/348&oldid=- (Version vom 28.8.2016)