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6.


     Du warst ein blondes Jungfräulein, so artig,
So niedlich und so kühl – vergebens harrt’ ich
Der Stunde, wo dein Herze sich erschlösse,
Und sich daraus Begeisterung ergösse –

5
     Begeisterung für jene hohen Dinge,

Die zwar Verstand und Prosa achten g’ringe,
Für die jedoch die Edlen, Schönen, Guten
Auf dieser Erde schwärmen, leiden, bluten.

     Am Strand des Rheins, wo Rebenhügel ragen,

10
Ergingen wir uns einst in Sommertagen.

Die Sonne lachte; aus den liebevollen
Kelchen der Blumen Wohlgerüche quollen.

     Die Purpurnelken und die Rosen sandten
Uns rothe Küsse, die wie Flammen brannten.

15
Im kümmerlichsten Gänseblümchen schien

Ein ideales Leben aufzublühn.

Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Heine: Vermischte Schriften. Erster Band. Hoffmann und Campe, Hamburg 1854, Seite 154. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vermischte_Schriften_154.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)