Seite:Vermischte Schriften 231.jpg

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würdest du einen leisen lüsternen Schauer, ein ästhetisches Gruseln empfinden beim Anblick dieser bleichen Versammlung, dieser anmuthigen Phantome, die den Sarkophagen ihrer Grabmäler oder den Verstecken ihrer Tempelruinen entstiegen sind, um den alten fröhlichen Gottesdienst noch einmal zu begehen, um noch einmal mit Spiel und Reigen die Siegesfahrt des göttlichen Befreiers, des Heilandes der Sinnenlust, zu feiern, um noch einmal den Freudentanz des Heidenthums, den Cancan der antiken Welt, zu tanzen, ganz ohne hypokritische Verhüllung, ganz ohne Dazwischenkunft der Sergents-de-ville einer spiritualistischen Moral, ganz mit dem ungebundenen Wahnsinn der alten Tage, jauchzend, tobend, jubelnd: Evoe Bacche! Aber ach! lieber Leser, der arme Fischer, von welchem wir berichten, war keineswegs wie du in der Mythologie bewandert, er hatte gar keine archäologischen Studien gemacht, und er war von Schrecken und Angst ergriffen bei dem Anblick jenes schönen Triumphators mit seinen zwei wunderlichen Acoluthen, als sie ihrer Mönchstracht entsprungen; er schauderte

Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Heine: Vermischte Schriften. Erster Band. Hoffmann und Campe, Hamburg 1854, Seite 231. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vermischte_Schriften_231.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)