§. 1. Es hat wohl niemand an der Nothwendigkeit der Manieren
gezweifelt. Man kan es daher mercken, weil man sie überall
in reichlicher Menge antrift. Indessen sind sie allerdings
unentbehrlich, wenn man ihren Nutzen betrachtet. Sie
hängen die Noten zusammen; sie beleben sie; sie geben ihnen,
wenn es nöthig ist, einen besondern Nachdruck und Gewicht;
sie machen sie gefällig, und erwecken folglich eine besondere Aufmercksamkeit;
sie helfen ihren Inhalt erklären; es mag dieser
traurig oder frölich oder sonst beschaffen seyn wie er will, so tragen
sie allezeit das ihrige darzu bey; sie geben einen ansehnlichen
Theil der Gelegenheit und Materie zum wahren Vortrage; einer
mäßigen Composition kan durch sie aufgeholfen werden, da hingegen
der beste Gesang ohne sie leer und einfältig, und der kläreste
Inhalt davon allezeit undeutlich erscheinen muß.
§. 2. So viel Nutzen die Manieren also stiften können, so groß ist auch der Schade, wenn man theils schlechte Manieren wählet, theils die guten auf eine ungeschickte Art ausser ihrem bestimmten Orte und ausser der gehörigen Anzahl anbringet.
§. 3. Deswegen haben diejenigen allezeit sicherer gehandelt, welche ihren Stücken die ihnen zukommenden Manieren deutlich
Carl Philipp Emanuel Bach: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen – Erster Theil. Selbstverlag, Berlin 1759, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Versuch_%C3%BCber_die_wahre_Art_das_Clavier_zu_spielen_Teil_1_1759.pdf/53&oldid=- (Version vom 1.8.2018)