noch nicht zusehen bekommen können; ich glaube aber gantz
gewiß, daß sie mir entweder gar nicht zugehören, oder daß es
wenigstens alte und falsch geschriebene Stücke seyn mögen, wie
es gemeiniglich zu geschehen pfleget, wenn jemand etwas heimlich
erschleichet und hernach herausgiebet.
§. 1. Die Vorschläge sind eine der nöthigsten Manieren. Sie verbessern
so wohl die Melodie als auch die Harmonie. Im
ersten Falle erregen sie eine Gefälligkeit, indem sie die
Noten gut zusammen hängen; indem sie die Noten, welche wegen
ihrer Länge oft verdrießlich fallen könnten, verkürtzen, und
zugleich auch das Gehör füllen, und indem sie zuweilen den vorhergehenden
Ton wiederholen; man weiß aber aus der Erfahrung,
daß überhaupt in der Musick das vernünftige Wiederholen
gefällig macht. Im andern Falle verändern sie die Harmonie,
welche ohne diese Vorschläge zu simple würde gewesen seyn.
Man kan alle Bindungen und Dissonantien auf diese Vorschläge
zurück führen; was ist aber eine Harmonie ohne diese beyden
Stücke?
§. 2. Die Vorschläge werden theils andern Noten gleich geschrieben und in den Tackt mit eingetheilt, theils werden sie durch kleine Nötgen besonders angedeutet, indem die grössern
Carl Philipp Emanuel Bach: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen – Erster Theil. Selbstverlag, Berlin 1759, Seite 55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Versuch_%C3%BCber_die_wahre_Art_das_Clavier_zu_spielen_Teil_1_1759.pdf/63&oldid=- (Version vom 1.8.2018)